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Recht, Tools

Anwälte & Kanzlei-Gründung: „Es gibt drei Wege der Spezialisierung“

Alexander T. Scheuwimmer ©Martin Krennbauer

Wien. Mit 200 Besuchern hat der „Sprung ins kalte Wasser“-Event des Juristenverbands 2025 deutlich mehr angehende Anwälte angezogen. Präsident Scheuwimmer über Gründen in schwierigen Zeiten, Spezialisierung und KI-Tools statt Konzipienten.

Mit 200 Besuchern hat der „Sprung ins kalte Wasser“-Event 2025 deutlich mehr Besucher:innen angezogen als in früheren Jahren und sogar Events wie manche Junganwälte-Tage der Kammern überrundet. Das Interesse kommt nicht von ungefähr: Eine Reihe von aktuellen Themen beherrschen die Diskussion unter den angehenden Anwältinnen und Anwälten, sagt Alexander T. Scheuwimmer, Präsident des Juristenverbands, im Interview.

Hohes Interesse trotz „Tageszulassungen“

Extrajournal.Net: Wie erklärt sich die hohe Beteiligung  heuer – haben so viele Juristinnen und Juristen Lust, eine eigene Anwaltskanzlei zu gründen?

Alexander T. Scheuwimmer: Es waren diesmal beim „Sprung ins kalte Wasser an die 200 Besucher, das ist wirklich etwas Besonderes. Diese Veranstaltung des Juristenverbandes gibt es ja bereits seit Jahrzehnten, aber eine so hohe Beteiligung hatten wir in der jüngeren Vergangenheit noch nie. Wir erreichen viele Berufsanwärterinnen und Berufsanwärter, das wird ein Hauptgrund sein. Aber es besteht auch tatsächlich weiterhin ein hohes Interesse am Anwaltsberuf – trotz Tageszulassungen.

Tageszulassungen sind frischgebackene Anwälte, die sich trotz bestandener Anwaltsprüfung nur für einen einzigen Tag die Liste der Berufsträger eintragen lassen – das gibt ihnen dann die Möglichkeit, Anwalt im Lebenslauf anzugeben, während das eigentliche Berufsziel die Tätigkeit als Wirtschaftsjurist in einem Unternehmen ist?

Alexander T. Scheuwimmer: Das ist richtig, diese Zahlen haben zugenommen, es zeigt dass die Anwaltsprüfung bei Arbeitgebern offensichtlich ein Qualitätskriterium ist. Daher steigen die Zulassungen optisch, bei den echten Berufseinsteigern bleiben die absoluten Zahlen in letzter Zeit eher gleich.

Drei Wege der Spezialisierung für angehende Anwälte

Thema des Events war diesmal die Spezialisierung und damit ein ganz wichtiger Punkt für jede Art von Gründung. Wie spezialisieren sich angehende Anwältinnen und Anwälte am besten?

Alexander T. Scheuwimmer: Hier zeigen sich tatsächlich Veränderungen: Traditionell hat man sich auf ein Rechtsgebiet spezialisiert. Es gibt aber auch andere Wege. Ich selbst bin ein Beispiel, ich bin Halb-Japaner, spreche japanisch und habe mich daher auf die Begleitung japanischer Klienten spezialisiert. Es gibt also neben juristischen auch andere Qualifikationen. Eine weitere, dritte Möglichkeit ist die Spezialisierung auf eine Branche. Ich habe Kolleginnen und Kollegen hier, die aus der Pharmabranche kommen und sich als Anwalt auf die Betreuung dieser Branche spezialisiert haben, weil sie sie kennen. Sie betreuen die Pharmabranche aber dann ganzheitlich, nicht etwa bloß im Pharmarecht.

KI-Tools werden derzeit sehr aktiv propagiert. Wie wichtig ist das Thema für die Kanzlei-Gründer?

Alexander T. Scheuwimmer: Es tut sich sehr viel, wir hatten beim „Sprung ins kalte Wasser“ fünf verschiedene Anbieter dabei. In den Augen der Kanzlei-Gründer spielt es zwar nicht die entscheidende Rolle, aber das eine oder andere Tool wird wohl jeder wählen, der bei dem Event dabei war. Bei Preisen zwischen 100 und 600 Euro pro Monat werden die meisten allerdings eher zu Tools am unteren Ende der Bandbreite greifen. Vielleicht mit Ausnahme derjeniger, die bereits aus einer höher bezahlten beruflichen Tätigkeit kommen.

Wie gut ist bei den neuen KI-Tools die Konformität mit den Regeln der Anwaltskammer, was Datenschutz, Sicherheit usw. betrifft?

Alexander T. Scheuwimmer: Alle Anbieter sagen, dass sie die Anforderungen erfüllen. Ich selbst kann nur vor den nicht spezialisierten Tools warnen, also insbesondere davor, etwa Gerichtsunterlagen mit den Namen von Mandanten bei ChatGPT zusammenfassen zu lassen. Zumindest dann wenn sie die Namen oder sonstige identifizierbare Informationen noch beinhalten.

Zusammenfassungen sind übrigens wichtige Einsatzgebiete der neuen KI-Tools und waren früher eine klassische Aufgabe von Konzipienten. Es kann übrigens sein, dass Junganwälte diese jetzt erst etwas später anstellen. Eine neugegründete Kanzlei braucht dank KI-Tools jetzt nicht so früh Verstärkung wie vor der Zeit von AI:ssociate und Co. Die Schmerzgrenze der Arbeitsbelastung des Gründers wird später erreicht. Noch dazu sind „Konzis“ heute wirklich gut bezahlt.

Die Regeln für die virtuelle Kanzlei

Weitere wichtige Funktionen der KI-Tools sind Recherche und Vertragsgestaltung. Was gibt es noch, welche Eigenschaften sind am bedeutsamsten?

Alexander T. Scheuwimmer: Diese Funktionen sind bereits bekannt, ja. Aktuell werden zahlreiche KI-Tools für Backoffice-Funktionen angepriesen, also zum Beispiel für die Kommunikation mit den Klienten. Das scheint doch ein aktueller Trend zu sein. Anbieter möchten einem Anwalt als nächstes Teile der Backoffice-Arbeitsbelastung per KI abnehmen.

Stichwort digitales Backoffice: Darf man als Anwalt eigentlich eine virtuelle Kanzlei haben – also ein Büro, das bloß aus einer Telefonnummer und einem Postfach bei einem Bürodienstleister besteht?

Alexander T. Scheuwimmer: Tatsächlich hat die Kammer dafür bereits 2023 Leitlinien aufgestellt. Vereinfacht gesagt lautet die Antwort: Ja, man darf – allerdings sind die Hürden etwas höher gesteckt als eine bloße Telefonnummer. Es muss ein Kanzleischild und eine Meeting-Möglichkeit gegeben sein, es geht also über ein bloßes Postfach im 1. Bezirk hinaus.

Ein großes Thema ist für die Junganwälte übrigens – neben den Kosten der Infrastruktur – auch die Krankenversicherung, sogar noch mehr als die Pensionsversicherung, denn das Durchschnittsalter ist ja Anfang 30. Man sollte z.B. genau überlegen ob eine der privaten Krankenversicherungen wirklich sinnvoll ist oder ob man stattdessen vielleicht doch GSVG nimmt. Das kann insbesondere für nebenberufliche Anwälte und bei mehreren Kindern sinnvoll sein, denn bei der GSVG sind alle im gleichen Haushalt kostenlos mitversichert, beim privaten Anbieter nur eine weitere Person.

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