Open menu
Bildung & Uni, Business, Recht

Kann der Flugverkehr klimaneutral werden? Neues Modell der Forschung

Das Bild zeigt Honorarprofessor Philipp Goedeking
Philipp Goedeking (© Marc Jacquemin Photography)

Uni Mainz. Forscher sind sicher, dass bisherige Strategien der Flugbranche zur Reduktion der Treibhausgasemissionen wenig zielführend sind – es sind neue Ansätze nötig, vor allem bei der Finanzierung.

Eine internationale Forschungsgruppe hat ein neues Modell entwickelt, mit dem Investitionen gezielt in Technologien gelenkt werden sollen, die den Luftverkehr klimaneutral machen können. Mitautor ist der deutsche Luftfahrtexperte und Honorarprofessor Philipp Goedeking vom Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

Treibhausgasemissionen steigen

Der Luftverkehr verursacht derzeit etwa drei Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen – und dieser Anteil dürfte in den nächsten Jahren steigen, da immer mehr Menschen fliegen und die globale Mittelschicht wächst. Flugzeuge wirken auf das Klima nicht nur durch Kohlendioxidausstoß, sondern auch durch Kondensstreifen, die in großen Höhen künstliche Eiswolken bilden; diese verlängern den Klimaeffekt der Luftfahrt über die reine CO₂-Belastung hinaus.

Nach Ansicht der Forschenden sind bisherige Nachhaltigkeitsstrategien der Branche allerdings nur begrenzt wirksam, so fließen jedes Jahr Milliardenbeträge in Projekte mit überschaubaren Investitionsrisiken und kurzer Laufzeit – dazu zählen effizientere Triebwerke oder Beimischungen nachhaltiger Flugkraftstoffe. Solche Maßnahmen bremsen zwar das Emissionswachstum, würden aber kaum zu einer Trendwende führen, heißt es. Ein Beispiel: Die sogenannten Sustainable Aviation Fuels (SAF) werden bisher überwiegend aus recycelten Fetten und Ölen gewonnen. Ihre Produktion ließe sich laut Goedeking aber nicht auf den nötigen Maßstab ausweiten, um die gesamte Branche zu versorgen. Und damit bleibe die Dekarbonisierung der Luftfahrt bislang ein fernes Ziel.

Greenwashing soll erschwert werden

Goedeking betont daher, dass die Emissionen vom Wachstum der Branche entkoppelt werden müssen. Nur ein solches „Decoupling“ erlaube es, das Netto-Null-Ziel glaubwürdig zu verfolgen. Zugleich sei diese Kennzahl gut vergleichbar und nur schwer für Greenwashing zu nutzen. Eine wirkliche Transformation erfordere, Kapital in radikal neue Technologien zu lenken: Dazu gehören seiner Meinung nach alternative Antriebssysteme, neue Flugzeugarchitekturen oder synthetische Kraftstoffe der nächsten Generation.

Der Haken daran: Solche Projekte haben oft längere Entwicklungszeiten und höhere finanzielle Risiken; das bestehende Finanzsystem hingegen begünstige kurzfristige, risikoarme Investitionen.  Um das zu ändern, schlägt das Forschungsteam einen Aviation Sustainability Index (ASI) vor. Ein solcher Index soll objektive Kriterien liefern, um die Klimawirkung von Projekten messbar zu machen. Er funktioniert ähnlich wie ein Bonitätsrating und schafft Transparenz bei der Mittelvergabe. Projekte mit nachweisbar hohem Klimanutzen sollen dadurch leichter Kapital erhalten, im Gegensatz zu bisherigen Nachhaltigkeitskrediten sollen Finanzierungen damit ambitioniertere Ziele honorieren. Künftig könnten Projekte mit hohem ASI-Wert günstigere Kreditkonditionen bekommen – das soll Anreize für echte Innovation schaffen, anstatt bloß formale Nachhaltigkeitsziele zu erfüllen.

Finanzielle Anreize schaffen

Goedeking spricht in diesem Zusammenhang von „positiven finanziellen Anreizen“ für mutige Ideen. Ein zukunftsfähiger Luftverkehr brauche neben Ingenieurskunst nämlich die eine passende Finanzarchitektur. Das vorgeschlagene Modell sieht Mischfinanzierungen aus privaten und öffentlichen Mitteln vor. So könnten etwa Förderbanken Risiken abfedern und private Investoren motivieren. Laut Goedeking lässt sich das Konzept außerdem auf andere CO₂-intensive Branchen übertragen; dazu zählen etwa die Schifffahrt sowie die Stahl- und Zementindustrie.

Die Studie „Mobilizing capital and technology for a clean aviation industry“ wurde im Fachjournal Science veröffentlicht.

Täglich aktuell über Neues informiert werden:

Weitere Meldungen:

  1. Peter Schwark ist neuer Sprecher von Altersvorsorge-Thinktank DIA
  2. Daten und Zahlen zur Gewässer­be­wirt­schaf­tung sind nun frei zugänglich
  3. Quality Austria Certification wird Prüfstelle für CO2-Berichterstattung
  4. Geldspritze für die TU Wien Foundation: So fördert sie künftig Forscher

Schreiben Sie einen Kommentar