Wien. Ausgerechnet zwischen einem gerichtlich beeideten Sachverständigen und einem Wirtschaftsanwalt kam es zum Showdown vor dem Obersten Gerichtshof: Auslöser des Rechtsstreits war, ob ein gerichtlich beeideter Sachverständiger per E-Mail für seine Dienste werben darf. Er tat es jedenfalls – doch einer der angeschriebenen Rechtsanwälte stand auf der Robinson-Liste und klagte.
Der Fall wirft Licht auf die Grenzen verbotener Direktwerbung, macht die Arge Daten aufmerksam. Konkret ging ein Salzburger Rechtsanwalt gegen einen gerichtlich beeideten Sachverständigen vor, da er sich durch dessen elektronische „Informationszusendung“ belästigt fühlte (OGH 7Ob168/09w).
Der Beklagte war in der Fachgruppe Allgemeine Kriminologie und Polizeieinsatztaktik neu eingetragen worden. Motiviert durch den Anruf eines Rechtsanwalts, der ihm mitteilte, nicht gewusst zu haben, dass es einen Sachverständigen für Polizeieinsatztaktik gebe und dass er einen solchen in einem Zivilverfahren benötigt hätte, versandte er an zehn oder elf Rechtsanwälte E-Mails mit der Bekanntmachung über seine Sachverständigenzertifizierung und seiner Kontaktdaten, heißt es in einer Aussendung der Arge Daten.
Einer der Adressaten, der in die Robinson-Liste (Ausschluss der Zusendung kommerzieller Kommunikation im Wege der elektronischen Post) eingetragen war, übersandte darauf hin dem Beklagten eine kostenpflichtige Unterlassungserklärung nach §107 TKG. Der Beklagte akzeptierte diese nicht, der Anwalt brachte Unterlassungsklage ein.
Weniger als 50 Adressaten
Der Beklagte brachte vor Gericht vor, die an weniger als 50 Empfänger (ein wichtiges Kriterium in der gesetzlichen Definition von Spam) gerichtete E-Mail habe nicht Werbezwecken gedient, sondern sei lediglich eine geschäftsspezifische Mitteilung. Der Kläger habe dadurch, dass er auf seiner Website seine E-Mail-Kontaktadresse bekanntgegeben habe, einer solchen Kontaktaufnahme auch zugestimmt.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, da die Zusendung künftiger Dienste als Sachverständiger Werbung sei. Dass der Beklagte sich an den Kläger als Rechtsanwalt für Gesellschafts-/Handels-/Wirtschaftsrecht gewandt habe, deute auf eine wahllose Zusendung zu Werbezwecken hin.
Das Berufungsgericht wies die Klage jedoch ab. Der Beklagte sei in seiner E-Mail als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger und nicht auch als Wirtschaftsunternehmer aufgetreten. Seine Nachricht habe sich darauf beschränkt, den Kläger über die erweiterte Zertifizierung seiner Sachverständigentätigkeit zu informieren.
Obwohl Sachverständige einem Werbeverbot unterlägen, seien ihnen nach der einheitlichen, gefestigten Standesauffassung wahrheitsgemäße Mitteilungen über ihre Funktion als Sachverständige erlaubt, wo ein Informationsbedürfnis über diese Funktion bestehe.
Direktwerbung: Immer dann, wenn der Absender wirtschaftliche Vorteile hat?
Daraufhin war der OGH am Wort. Er sah einen sehr wohl Verstoß gegen § 107 TKG: Nach Ansicht des OGH erfasst der Begriff der Direktwerbung jede elektronische Post, die für ein bestimmtes Produkt, aber auch für eine bestimmte Idee wirbt oder dafür Argumente liefert.
Darunter fällt auch jede Maßnahme, die dazu dient, auf ein eigenes Bedürfnis und die Möglichkeit seiner Befriedigung hinzuweisen, wobei auch schon die Anregung zur Inanspruchnahme bestimmter Leistungen diesem Begriff unterstellt werden kann.
Aufgrund dieser weiten Interpretation des Begriffs der „Direktwerbung“ qualifizierte das Höchstgericht die E-Mail des Beklagten als Zusendung mit Werbecharakter im Sinn des § 107 Abs 2 Z 1 TKG.
Eine Rolle spielte dabei, dass der Beklagte offenkundig auch seine wirtschaftlichen Vorteile im Auge hatte und letztendlich auch die Erstellung eines Sachverständigengutachtens seinen kommerziellen Interessen dient, so die Arge Daten.
Link: Arge Daten