Interview. Das Pro Bono-Team von DLA Piper über die Betreuung von UNICEF oder Volkshilfe, den Trend zu Pro Bono in Österreich und mehr: Partnerin Claudine Vartian, die Anwälte Armin Redl, Alexander Schultmeyer und Junior Associate Naomi McDuffie.
Claudine Vartian, DLA Piper Partner und Leiterin der Pro Bono-Praxis am Standort Wien, ist gemeinsam mit den DLA Piper Rechtsanwälten Armin Redl, Alexander Schultmeyer und Junior Associate Naomi McDuffie für die Pro Bono-Aktivitäten der Kanzlei in Österreich zuständig. Extrajournal.Net hat sie im „Haus am Schottentor“ – dem neuen DLA Piper Bürostandort in Wien – besucht.
Extrajournal.Net: Sie möchten die Pro Bono-Aktivitäten der großen österreichischen Anwaltskanzleien verstärken: Darunter versteht man Beratung ohne Honorar für einen guten Zweck. Dazu haben Sie gemeinsam mit Freshfields Bruckhaus Deringer den „Pro Bono-Roundtable“ ins Leben gerufen. Was ist Ziel dieses Pro Bono-Ausbaus? Welche Pro Bono-Unterstützung leistet DLA Piper derzeit schon konkret?
Armin Redl: Wir sind für zahlreiche Organisationen und Institutionen im Rahmen der Pro Bono-Beratung tätig, darunter unter anderem Unicef, Diakonie, Volkshilfe und Teach for Austria.
Unsere Unterstützung kann dabei ganz unterschiedlich sein. Dazu zählt natürlich die klassische Rechtsberatung, manchmal sind wir jedoch auch in anderer Form unterstützend aktiv: Beispielsweise stellen wir unsere Räumlichkeiten für Anlässe wie Gesellschaftsversammlungen zur Verfügung. Unser neues Büro im „Haus am Schottentor“ an der Wiener Ringstraße verfügt ja über sehr gut erreichbare und bestens ausgestattete Räumlichkeiten, darunter das historische „Oktogon“, der prachtvolle frühere Generalversammlungssaal des ehemaligen Bankvereins. Wir halten auch diverse Vorträge zu wichtigen Themen und erklären beispielsweise jungen Menschen mit Fluchterfahrung Demokratie und Rechtsstaat in Österreich. Manchmal helfen wir den Organisationen auch, Personen, um die sie sich kümmern, rechtlich zu betreuen.
Arbeitsrecht, Gesellschaftsrecht und das Wiener Parkpickerl
Dabei kann es um komplexe Themen gehen, oft aber auch um ganz einfache, aber dennoch wichtige Themen: Zum Beispiel helfen wir Ukraine-Flüchtlingen, den Zugang zum Arbeitsmarkt in Österreich zu verstehen oder auch einfach nur, wie man in Wien zu einem Parkpickerl kommt. Ein häufiges Thema ist – da die Organisationen ja mit Spendengeldern und Förderungen finanziert sind – für welche Tätigkeiten ihre Gelder verwendet werden dürfen und welche Aufklärungspflichten es dabei gibt. Solche Rechtsfragen gehören ebenfalls zu den Aspekten, im Rahmen derer wir unterstützen. In Summe haben wir bei DLA Piper Wien im letzten Jahr rund 1300 Pro Bono-Arbeitsstunden geleistet. Erfreulicherweise wird diese Pro Bono-Leistung durch etwa 2/3 der Kolleginnen und Kollegen erbracht, was auch die Stellung von Pro Bono bei uns intern unterstreicht. Wir haben uns hierbei auch mindestens 35 Arbeitsstunden (oder beinahe eine ganze Arbeitswoche) pro Person als jährliches Ziel für den guten Zweck gesetzt.
Extrajournal.Net: In den USA ist Pro Bono-Beratung schon länger üblich. Was unterscheidet die Situation in den Vereinigten Staaten von der in Österreich?
Claudine Vartian: Vergleicht man aktuell Österreich und die USA, wo Pro Bono schon länger bekannt ist, zeigen sich vor allem strukturelle Unterschiede. Ich leite seit 2015 den Pro Bono-Bereich in Österreich und denke, dass wir in diesen zehn Jahren nun gleichgezogen haben, was die Intensität betrifft.
In den USA bedeutet Pro Bono für die großen Wirtschaftskanzleien vor allem Aktivitäten für Corporates. Es bedeutet viel weniger Arbeit für bedürftige Individuen, denn deren Ansprüche werden meist in Form von Sammelklagen – Class Action Suits – von kleineren Anwaltskanzleien bedient, die dann am Erfolg beteiligt werden – die sogenannte Quota litis, die in Österreich und den meisten anderen europäischen Staaten verboten ist. Corporate Pro Bono bedeutet, dass Kunden, die normalerweise für ihre Rechtsberatung bezahlen, auch Pro Bono-Leistungen abfragen, meist im Rahmen von CSR-Aktivitäten, die sie nebenbei ausüben. Also zum Beispiel für soziale Aktivitäten, die ein gewinnorientiertes Unternehmen nebenbei setzt.
DLA Piper macht international in großem Umfang Pro Bono-Beratung für solche Corporates, darunter auch internationale Organisationen wie die Unicef. Länderorganisationen wie DLA Piper Österreich übernehmen dabei ihren Teil. Darüber hinaus haben wir in Wien aber eben auch unsere eigenen, lokalen Pro Bono-Klienten.
Pro Bono ist freiwillig – im Gegensatz zur Verfahrenshilfe
Dabei ist es wichtig, zwischen dieser Form der kostenlosen Beratung und der sogenannten Verfahrenshilfe zu unterscheiden: Die Verfahrenshilfe ist eine gesetzliche Einrichtung, die es in Österreich für Bedürftige gibt, die einen Anwalt benötigen, weil sie z.B. vor dem Strafrichter stehen, sich jedoch keinen Anwalt leisten können. Jede Rechtsanwältin und jeder Rechtsanwalt in Österreich ist dazu verpflichtet, diese Verfahrenshilfe in einem gewissen Ausmaß zu leisten. Österreichs Anwälte leisten dadurch in erheblichem Ausmaß Arbeit für das Gemeinwohl, und zwar ohne Bezahlung wohlgemerkt. Diese Verfahrenshilfe leistet DLA Piper selbstverständlich obendrein. Allerdings ist die Verfahrenshilfe sehr stark auf Personen, also auf Individuen ausgerichtet.
Unsere Pro Bono-Beratung richtet sich dagegen vorrangig an gemeinnützige Organisationen wie die Diakonie oder die Volkshilfe. Diese benötigen Rechtsberatung im Prinzip ebenso wie jedes gewinnorientierte Unternehmen – es geht vorwiegend um Themen aus dem Arbeitsrecht, dem Gesellschaftsrecht oder aktuell häufig um Mietrechtsfragen usw. Diese Institutionen sind gemeinnützig oder auf das Gemeinwohl ausgerichtet und sind genauso auf Unterstützung angewiesen, die Verfahrenshilfe ist für sie aber nicht geeignet. Aus diesem Grund gibt es bei uns in der Kanzlei über die Verfahrenshilfe hinaus institutionalisierte Pro Bono-Aktivitäten, im Rahmen derer wir sie betreuen.
Extrajournal.Net: Wer kommt als Klient im Pro Bono-Bereich in Frage?
Alexander Schultmeyer: Unsere Pro Bono-Klienten müssen unseren internen europaweiten Pro Bono-Kriterienkatalog erfüllen. Für Pro Bono-Beratung kommen nur Institutionen und Aktivitäten in Frage, die gemeinnützig, mildtätig, sozial oder in anderer Form auf einen guten Zweck ausgerichtet sind. Es geht hier also bewusst nicht darum, ein Unternehmen bei der Gewinnmaximierung oder ein Start-up bei der Erschließung eines neuen Marktes zu unterstützen – das tun wir sehr gern, aber das ist dann selbstverständlich kostenpflichtig.
Extrajournal.Net: Welche Ziele soll die neu initiierte Plattfom „Pro Bono-Roundtable“ erfüllen?
Naomi McDuffie: Unsere neue Pro Bono-Plattform, die wir gemeinsam mit Freshfields Bruckhaus Deringer ins Leben gerufen haben, soll dazu beitragen, die Pro Bono-Aktivitäten der Wirtschaftskanzleien in Österreich zu unterstützen und auszubauen, beispielsweise indem wir unsere langjährige Expertise mit ihnen teilen. Solche gemeinsamen Aktivitäten von Wirtschaftskanzleien und anderen Unternehmen bzw. Organisationen hat es schon früher gegeben, man denke nur an das sehr erfolgreiche „United for Ukraine“-Projekt. Dabei handelt es sich jedoch um anlassbezogene Einrichtungen, während unsere neue Plattform dauerhaft bestehen und bei den Abläufen helfen soll.
Wir wollen gemeinsam effektive Lösungsansätze finden, mit dem Ziel, Pro Bono-Aktivitäten in Österreich neben der Verfahrenshilfe auszubauen – nicht als verpflichtende Einrichtung, sondern auf freiwilliger Basis. Dazu sind regelmäßige Treffen in jedem Quartal geplant. Am ersten Roundtable hat bereits rund ein Dutzend Wirtschaftskanzleien teilgenommen, weitere sind herzlich eingeladen – das nächste Meeting ist für April geplant. Unser oberstes Ziel ist es, Synergien zu bündeln und gemeinsam an der Lösung gesellschaftlicher Probleme zu arbeiten.
„Anwälte als positives Element herausstreichen“
Extrajournal.Net: Gibt es abgesehen vom guten Zweck auch Vorteile für Kanzleien, die sich hier engagieren?
Claudine Vartian: Eines liegt mir da schon am Herzen: Anwälte sind ein wichtiger Teil der Rechtspflege in Österreich, wohl einer der wichtigsten. Wir stellen aber unser Licht zu oft unter den Scheffel und haben dann in der Öffentlichkeit ein verbesserungswürdiges Image. Mit solchen Pro Bono-Aktivitäten kann man wirklich herausstreichen, dass Anwälte ein positives Element sind. Weiteres handelt es sich dabei um eine sinnstiftende Tätigkeit, die die Bedürfnisse eines Menschen nach Sinnhaftigkeit und Erfüllung befriedigt und bei der sich unsere Mitarbeitenden mit der Kanzlei identifizieren.
Im Interview
• Dr. Claudine Vartian ist Partner und Leiterin der Pro Bono-Praxis am Standort Wien von DLA Piper.
• Mag. Armin Redl ist Rechtsanwalt am Standort Wien von DLA Piper
• Mag. Alexander Schultmeyer, MBA ist Rechtsanwalt am Standort Wien von DLA Piper.
• Mag. Naomi McDuffie ist Junior Associate am Standort Wien von DLA Piper.