Wien. China hat in den letzten 30 Jahren einen historisch einmaligen Aufstieg von einem der ärmsten Länder der Welt zu einem gemäßigt wohlhabenden Staat erlebt. Vom Westen eher unbemerkt geht mit der rasanten wirtschaftlichen Entwicklung auch eine Stärkung des Rechtswesens einher. Dies gilt zumindest für die reichen Küstengebiete im Süden und Osten Chinas. Städte wie Shanghai, Beijing, Guangzhou oder Shenzhen haben mittlerweile funktionierende Gerichte und gut ausgebildete Richter.
Für alle wesentlichen Bereiche des Wirtschaftslebens wurden inzwischen ordentliche Gesetze erlassen. Probleme gibt es >nur< mehr bei deren Umsetzung, schreibt Fiebinger Polak Leon-Experte Markus Moser in seinem Gastbeitrag.
Man darf dabei nicht vergessen, dass China bis vor 30 Jahren praktisch keine Gesetze im westlichen Sinn hatte. Die Aufbauleistung ist also auch in rechtlicher Hinsicht beachtlich. Trotz dieser positiven Tendenz sind nach wie vor viele Eigenheiten zu beachten.
Bereits bei der Einleitung von Geschäftsbeziehungen ist es empfehlenswert, China-Experten beizuziehen. Zu unterschiedlich sind die Kulturen, zu hoch die Fettnäpfchen-Gefahr. Dabei geht es weniger um Reiseführer-Klischees wie die senkrecht im Reis stecken gelassenen Stäbchen. Wer lässt schon seine Gabel senkrecht in einer Kartoffel stecken? Viel wichtiger ist es, die den ostasiatischen Kulturen eigene Gesprächskultur zu beachten. Konflikte werden nicht offen angesprochen, sondern nur indirekt. Harmonie steht an oberster Stelle. Ein Gesichtsverlust, und zwar sowohl der eigene als auch der des Gegenübers, ist unbedingt zu vermeiden. Gebrülle oder öffentliches Bloßstellen können zum umgehenden Abbruch der Geschäftsbeziehung führen – auch wenn das chinesische Gegenüber lächelt. Geduld und höfliche Hartnäckigkeit sind gefragt.
Vertrauen ist gut…
Blindes Vertrauen gegenüber seinen (prospektiven) chinesischen Geschäftspartnern ist nach wie vor gefährlich. Wenngleich Wildwest-Methoden auch in China abnehmen, ist angemessene Vorsicht empfohlen. Die Zahl der von chinesischen Geschäftspartnern eingelullten und übervorteilten westlichen Unternehmer ist Legion. Also: Besser einen westlichen Treuhänder bestellen, lieber einen unzweifelhaft neutralen Gutachter wählen. Nicht den von der Gegenseite vorgeschlagenen >guten Freund der Familie<. Geistiges Eigentum ist zu sichern, bevor es der >Partner< tut. Und: Geschäfte, die zu gut klingen, um wahr zu sein, sind es. Auch in China.
Der Grad der Korruption in China ist nach wie vor problematisch, soll hier aber etwas in Relation gestellt werden: China rangiert in den internationalen Transparenzrankings im Mittelfeld. Wenngleich das >Reich der Mitte< also noch weit von westlichen Standards entfernt ist, ist doch mit weniger Korruption als in Russland, Afrika oder Teilen Südamerikas zu rechnen.
Seit die kommunistische Partei erkannt hat, dass die Korruption die höchste Gefahr für ihre Alleinherrschaft ist, verspricht sie gebetsmühlenartig, diese stärker zu bekämpfen. Dies ist auch zu hoffen, denn das jüngst verschärfte österreichische Strafrecht erfasst nun ausnahmslos auch die Bestechung ausländischer Amtsträger durch Österreicher.
Fazit: Sowohl das Geschäftsleben als auch das Rechtssystem in China werden von Jahr zu Jahr professioneller. Werden die nötigen Vorsichtsmaßnahmen ergriffen, steht einem gedeihlichen Verlauf der Geschäfte in China nichts im Wege.
Rechtsanwalt Dr. Markus Moser, LL.M. (HKU) ist Experte für Dispute Resolution und Gesellschaftsrecht bei Fiebinger Polak Leon Rechtsanwälte.
Link: Fiebinger Polak Leon (Blog)