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Business, Recht

Gastbeitrag: Iran als neues Konjunktur-Zugpferd? „Es hängt vom Iran ab“, meint Baker-Rechtsexperte Marc Lager

Marc Lager ©Baker & McKenzie
Marc Lager ©Baker & McKenzie

Wien. Der Iran ist das neue Zugpferd für westliche Wirtschaftshoffnungen – gerade in Zeiten akuter Sorgen um Chinas Konjunktur. Zwar sind die Sanktionen gegen Teheran noch nicht aufgehoben, es gibt nur eine Einigung darauf – doch führende Politiker knüpfen derzeit mit großem Elan Beziehungen mit dem Iran: Die britische Botschaft wurde gerade wieder eröffnet, der deutsche Außenminister war bereits mit einer großen Delegation vor Ort, und in Europa finden Konferenzen mit Top-Regierungsvertretern des Iran statt, um Investoren und Investitionen anzulocken. 

Marc Lager, Experte der Wirtschaftskanzlei Baker & McKenzie Diwok Hermann Petsche, schildert in seinem Gastbeitrag den Countdown zum tatsächlichen Start der neuen Wirtschaftsbeziehungen – und warum es letztendlich vom Iran abhänge, ob die Sanktionen wirklich in wenigen Monaten der Vergangenheit angehören.

Die Iran-Sanktionen wurden bisher nicht aufgehoben: Eine Aufhebung der Sanktionen steht auch nicht unmittelbar bevor. Mit dem am 14.7.2015 vereinbarten „Joint Comprehensive Plan of Action“ (JCPOA) wurde eine schrittweise Aufhebung der Sanktionen vereinbart. Eine Änderung der Rechtslage erfolgt voraussichtlich erst ab dem ersten Quartal 2016.

Aufhebung von Sanktionen: Der zeitliche Ablauf

Voraussetzung dafür ist, dass der Iran erste zentrale Schritte zum Rückbau des Nuklearprogramms umgesetzt hat. Die Änderungen betreffen insbesondere die Aufhebung nicht unmittelbar proliferationsbezogener Wirtschafts- und Finanzsanktionen und die Entlistung von Unternehmen und Personen, insbesondere solcher des Energie- und Finanzsektors.

Ferner wird eine Aufhebung der bisherigen Resolutionen der Vereinten Nationen unter Beibehaltung/Neufestlegung eines Kernbestands an Sanktionen (Waffen, Personen- und Unternehmenslistungen aus dem Nuklearbereich) erfolgen. Im Rahmen eines „Snap- Back-Mechanismus“ ist die Möglichkeit eines Wiederauflebens der Sanktionen der Vereinten Nationen für den Fall von Verstößen gegen grundlegende Verpflichtungen aus dem JCPOA vorgesehen.

Spätestens nach acht Jahren (2023) erfolgt die Aufhebung der verbliebenen europäischen proliferationsbezogenen Sanktionen (Transition Day). Nach insgesamt zehn Jahren (2025), sollen die verbliebenen VN-Sanktionen aufgehoben werden (Termination Day).

Voraussetzung für das Inkrafttreten des Abkommens ist eine Resolution des UN-Sicherheitsrats; diese ist am 20.7.2015 ergangen. Drei Monate später, also am 20.10.2015, tritt das Abkommen in Kraft. Nach dem Abkommen sind die USA verpflichtet, Maßnahmen auszusetzen und Genehmigungen zu erteilen. Dazu hat der US-Kongress ein „Right to Review“. Mit diesem Überprüfungsrecht kann der Kongress die Maßnahmen wieder aufheben, und dagegen würde Präsident Obama sein Veto einlegen (das hat er bereits angekündigt).

Aus iranischer Sicht tritt das Abkommen ebenfalls in jedem Fall in Kraft. Ob es dann aber zur Umsetzung kommt, das hängt vom Iran ab. Der Iran muss in Vorleistung treten und eine Reihe von Maßnahmen im Hinblick auf die Kontrolle seiner Nuklearanlagen durchführen. An dem Tag, an dem die IAEA bestätigt, dass der Iran das alles erfüllt hat (Implementation Day), werden die EU-Sanktionen aufgehoben und die US-Sanktionen ausgesetzt (soweit wie im Abkommen vorgesehen). Der Iran hat es also faktisch in der Hand, ob es zur Umsetzung des Abkommens kommt.

Die Dinge werden bald klarer

Je näher der Jänner rückt, desto besser wird man erkennen können, wie ernst es dem Iran mit der Durchführung der Maßnahmen ist. Auf der Ebene der zuständigen Behörden der EU und der USA laufen jedenfalls nach unserer Kenntnis bereits intensive Vorbereitungsarbeiten, damit die Regelungen des JCPOA auch am Implementation Day umgesetzt werden können.
Und man sollte nicht übersehen, mit welcher Verve derzeit von führenden Politikern Beziehungen mit dem Iran vorangetrieben werden: Eben ist die britische Botschaft wieder eröffnet worden. Der deutsche Außenminister war bereits mit einer großen Delegation im Iran, und in Europa finden zahlreiche Konferenzen mit sehr hochrangigen iranischen Regierungsvertretern statt, um Investoren und Investitionen für den Iran zu werben.

Iran als attraktiver Geschäftspartner

Der Iran hat einen enormen Aufholbedarf in fast allen Wirtschaftsbereichen (von Infrastruktur über Anlagen- und Maschinenbau) und könnte sich zu einem attraktiven Markt entwickeln. Österreichische Produkte genießen im Iran einen guten Ruf, zudem hatte das Land in der Vergangenheit gute Kontakte in den Iran.

Zunächst ist allerdings Vorsicht geboten, da die Aufhebung der Sanktionen frühestens im ersten Quartal 2016 beginnen wird. Es kann dabei durchaus passieren, dass die Erwartungen der österreichischen Wirtschaft zeitlich nicht mit den tatsächlichen Entwicklungen übereinstimmen.

Für Unternehmen, die planen, Geschäfte mit dem Iran aufzunehmen oder zu intensivieren, liegen die Herausforderungen darin, dass die Sanktionen nur schrittweise aufgehoben und allgemeine Exportbeschränkungen weiter aufrecht bleiben werden.

Für jedes Unternehmen ist daher bei jeder Anpassung der Sanktionen genau zu prüfen, ob die in Frage stehenden Produkte zu jenem Teil der Sanktionen gehören, der weggefallen ist, oder ob diese noch weiter vom Embargo erfasst sind. Weiters ist natürlich zu prüfen, ob die Waren unter die übrigen allgemein gültigen Regelungen der Exportkontrolle fallen, die auch für nicht-sanktionierte Länder zur Anwendung kommen.

Sonderfall USA

US-Unternehmen werden dabei außen vor bleiben: Die Verbote der USA, die für U.S. Personen gelten, werden nicht ausgesetzt (mit Ausnahme der Verbote, zivile Luftfahrzeuge an den Iran zu liefern). Für US-Unternehmen bleibt also weiterhin jeder Iran-Handel verboten, und US-Waren dürfen weiterhin nicht in den Iran geliefert werden. Diese Verbote gelten derzeit auch für ausländische Töchter von US-Unternehmen. Für diese ausländischen Töchter soll es Genehmigungen geben, mit dem Iran Geschäfte durchzuführen. Wie diese Genehmigungen aussehen, ist derzeit noch völlig unklar.

Das bedeutet auch, dass auch zukünftig keinerlei Zahlungen mit Iran-Bezug in US-Dollar geleistet oder angenommen werden dürfen (es gibt nur einige Ausnahmen für alles das, was für U.S. Personen erlaubt ist).

Außerdem sollen die sogenannten „Secondary Sanctions“ der USA ausgesetzt werden, also Regelungen, nach denen die USA gegen ausländische Unternehmen und Banken massive Beschränkungen verhängen können, wenn sie sich signifikant im Iran engagieren (das betrifft vor allem Geschäfte mit dem iranischen Öl- und Gassektor, aber auch Geschäfte mit dem iranischen Automobilsektor). Dies könnte auch ausländische Banken ermuntern, sich wieder mehr im Iran zu engagieren.

Die Erfahrungen mit dem Iran

Für Unternehmen, die schon bisher Geschäftsbeziehungen mit Unternehmen im Iran unterhalten, ergeben sich insbesondere aus dem Verbot der mittelbaren Bereitstellung und den Beschränkungen des internationalen Zahlungsverkehrs immer wieder Herausforderungen: Da es verboten ist, sanktionierten natürlichen oder juristischen Personen auch mittelbar Gelder zur Verfügung zu stellen (Verbot der mittelbaren Bereitstellung), ist stets die laufende Überprüfung von Geschäftspartnern erforderlich. Dabei ist vielen Unternehmen oft nicht klar, wie weit diese Prüfung jeweils gehen soll. Bis zum vollständigen Wegfall der Sanktionen ist jedenfalls eine Überprüfung der (potentiellen) Geschäftspartner notwendig.

Darüber hinaus werden auch zulässige Geschäfte durch die Beschränkung des internationalen Zahlungsverkehrs für iranische Banken und Unternehmen massiv erschwert. Außerdem hat der Iran derzeit wohl kaum noch Devisen. Das müsste sich aber ebenfalls ändern, wenn das Abkommen in Kraft tritt, weil der Iran dann (zunächst) wieder Öl und Gas verkaufen kann. Das bedeutet aber auch, dass es vielleicht noch nicht sofort zu signifikanten Geschäften mit dem Iran kommt, sondern dass es möglicherweise etwas dauert, bis der Iran wieder über Devisen verfügt.

Beschränkungen des Zahlungsverkehrs

Derzeit führen nur wenige europäische Bankinstitute Überweisungen im Zusammenhang mit dem Iran durch (Geldtransfers von oder an ein iranische Unternehmen unterliegen einer Meldepflicht, wenn diese den Betrag von EUR 10.000, nicht aber EUR 400.000 übersteigen; Geldtransfers von über EUR 400.000 bedürfen einer vorherigen Genehmigung). Diese Regelungen werden am Implementation Day aufgehoben.

Darüber hinaus ist folgendes von Bedeutung: Derzeit sind die iranische Zentralbank sowie die meisten (EU) bzw alle (USA) Banken im Iran gelistet. Diese Listungen sollen zu einem ganz großen Teil aufgehoben werden, insbesondere werden wieder Geschäfte mit der iranischen Zentralbank zulässig. Außerdem ist der Iran komplett von SWIFT abgeschnitten, also dem Interbanken-Kommunikationssystem (u.a. werden darüber Informationen zu weitergeleiteten Zahlungen übertragen). Diese Verbote werden ebenfalls aufgehoben, iranische Banken können also wieder an SWIFT teilnehmen.

Der JCPOA enthält außerdem lange Abschnitte dazu, welche Tätigkeiten zukünftig ausdrücklich erlaubt sein werden. Außerdem hat der Iran das Recht, von den anderen Vertragspartnern (interessant sind natürlich insbesondere die USA und die EU) zu verlangen, dass Merkblätter herausgegeben und öffentliche Verlautbarungen dazu gemacht werden, was erlaubt ist, und der Iran hat das Recht, über den Inhalt dieser Merkblätter und dieser öffentlichen Verlautbarungen mitzubestimmen. Diese Regelungen können/ sollten das Vertrauen der Banken, dass ein Engagement in Iran-Geschäften zulässig ist, wiederherstellen oder zumindest erhöhen.

Mag. Marc Lager, LL.M. ist Partner bei Baker & McKenzie Diwok Hermann Petsche Rechtsanwälte in Wien.

Link: Baker & McKenzie

 

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