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Deloitte schlägt Alarm: Wirtschaftsstandort Österreich in Gefahr

Bernhard Gröhs ©Regine Hendrich/Deloitte
Bernhard Gröhs ©Regine Hendrich/Deloitte

Wien. Deloitte Österreich hat seinen neuen „Deloitte.Radar“ veröffentlicht: Die Studie soll die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Österreich“ messen und künftig jedes Jahr erscheinen. Konkret ist der Deloitte.Radar eine Metastudie, für die internationale Standort-Rankings ebenso ausgewertet werden wie eigene Studien usw. Das Ergebnis der Ausgabe 2013/14 sei eindeutig: Der Wirtschaftsstandort Österreich falle im internationalen Vergleich kontinuierlich zurück und verspiele damit Zukunftspotenzial. Damit Österreich wieder Top-Ten-Platzierungen erreichen kann, brauche es einen Reset im Steuersystem, mehr Offenheit und Flexibilität vor allem am Arbeitsmarkt sowie ein risiko- und innovationsfreundliches Klima.

Die gerade angetretene neue Regierung, die dieser Tage ihre eigenen Pläne für den Wirtschaftsstandort vorstellt, erhält damit gleich zum Start vernichtende Zensuren. Besonders kritisch geht das globale Beratungsunternehmen Deloitte mit dem gerade beschlossenen Abgabenänderungsgesetz 2014 ins Gericht.

Anders als bei den bekannten Rankings, die Momentaufnahmen darstellten, gehe es Deloitte darum, Trends aufzuzeigen und Einschätzungen von außen mit der Innensicht der österreichischen Wirtschaft abzugleichen, heißt es in einer Ausendung.

Die Experten von Deloitte zeigen sich darin überzeugt, dass ein radikales Fitnessprogramm den anhaltenden Abwärtstrend noch stoppen und einen Turnaround bringen könnte. „Als führender Anbieter von Professional Services sitzen wir mit im Cockpit der österreichischen Wirtschaft und tragen daher Verantwortung für den Standort“, gibt sich Bernhard Gröhs, Managing Partner von Deloitte Österreich, in der Aussendung selbstbewusst: „Den Radar haben wir erstellt, um zu verdeutlichen, wo wir stehen, wohin die Reise geht und wo man gegebenenfalls gegensteuern muss.“

Alarm aus dem Cockpit

Bei den Empfehlungen habe man sich auf jene Bereiche konzentriert, in denen man Kernkompetenze habe Konkret erfasst werden sieben Standortfaktoren, bewertet mit Punkten von 1 (dringender Handlungsbedarf) bis 5 (klarer Standortvorteil).

  1. Politisches und makroökonomisches Umfeld (3 von 5 Punkten): Österreich zähle zu den wohlhabendsten Ländern weltweit. Doch die strukturelle Neuverschuldung sei eine Last für die Zukunft. Reformen bei Ausgaben und Verwaltung müssen dringend angegangen werden, damit Österreich auch künftig handlungs- und wettbewerbsfähig bleibt, heißt es.
  2. Unternehmensinfrastruktur und Umfeld (4 Punkte): Österreich habe eine ausgezeichnete Infrastruktur. Der technologische und wirtschaftliche Wandel bedinge allerdings, dass diese entsprechend weiterentwickelt werden muss, um die Wettbewerbsfähigkeit heimischer Unternehmen zu stärken und als Wirtschaftsstandort attraktiv für international tätige Unternehmen und Investoren zu sein.
  3. Regulatorisches Umfeld (2 Punkte): Der Aufwand für die Erfüllung regulatorischer Auflagen sei noch nie so hoch gewesen wie derzeit. Häufigkeit, Anzahl und Komplexität von Regeln fordern Behörden und Unternehmen. Auch wenn es sich dabei um den Versuch handele, aus „Fehlern“ der letzten Krise zu lernen, belasten viele Regularien aufgrund ihrer Wechselwirkungen Finanzdienstleistungsbranche und Realwirtschaft gleichermaßen.
  4. Kosten (1 Punkt): Die hohe Abgabenquote, verbunden mit unübersichtlichen, aufwändig administrierbaren Steuerregelungen, hemmen laut Deloitte Investments und Beschäftigung. Das Abgabenänderungsgesetz 2014 belaste viele Unternehmen zusätzlich und schmälere bisherige Standortvorteile weiter. Es gehe in die falsche Richtung und werde den Abwärtstrend verstärken. Es sei höchste Zeit für eine mutige, gesamthafte Weiterentwicklung des österreichischen Steuer- und Abgabensystems sowie der involvierten Behörden.
  5. Innovation, Forschung und Entwicklung (4 Punkte): Zahlreiche Hidden Champions unter den heimischen Unternehmen zeigen, wozu Österreich bei Innovationskraft, Qualität, Differenzierung und internationalem Marktauftritt in der Lage ist. Für internationale Investoren, Unternehmen und Fachkräfte müsse Österreich aber noch offener werden.
  6. Verfügbarkeit von Arbeitskräften (3 Punkte): In Österreich und in den Unternehmen seien klare Strategien notwendig, um alle verfügbaren Talente auszubilden, zu fördern und zu halten. Trotz eines grundsätzlich guten Beschäftigungsklimas gebe es Aufholbedarf bei der Frauenerwerbstätigkeit sowie bei der adäquaten Behandlung der jüngsten und der älteren Generationen im Erwerbsprozess (Millennials bzw. Arbeitnehmer 55+). Darüber hinaus brauche das Land eine ideologiefreie Bildungsdiskussion und -reform.
  7. Lebensqualität (5 Punkte): Die generell hohe Lebensqualität mache Österreich sehr attraktiv für Fachkräfte aus dem Ausland und als Standort für international tätige Unternehmen, sei aber als Soft Fact nicht spielentscheidend.

Gutes Wasser und frische Luft sind nicht alles

Während Österreich unverändert mit höchster Lebensqualität und mit seiner bislang noch guten Infrastruktur punkte, herrsche in anderen Bereichen dringender Handlungsbedarf. Besonders dramatisch: Der Faktor „Kosten“ – gemeint sind Abgabenquote und Steuersystem – gefolgt vom „politischen und makroökonomischen Umfeld“ sowie dem „regulatorischen Umfeld“. „Vergleichbare Länder wie Schweden oder die Schweiz erreichen durchwegs Spitzenplätze, wir haben es gerade mal bei zwei Rankings unter die Top 20 geschafft, und die Anzeigennadel geht weiter nach unten. Noch gibt es eine realistische Chance für eine Aufholjagd, wenn wir uns zu strukturellen Einschnitten und einem echten Kraftakt durchringen. Das muss umgehend passieren. Wenn nicht, verspielen wir leichtfertig unsere Zukunft“, so Univ.-Prof. Josef Schuch, Partner Deloitte Österreich.

Drei wichtige Kurskorrekturen sind aus Sicht von Deloitte jedenfalls vorzunehmen. „Erstens müssen wir das Steuersystem neu schreiben, es braucht einen kompletten Reset“, urteilt Steuerexperte Gröhs und ergänzt: „Wir haben zwar alle Bausteine für ein Top-System, aber dank Sonderbestimmungen und Novellierungen ist es heute nahezu unadministrierbar und verfilzt. Der Administrationsaufwand hat ein Ausmaß erreicht, das die wirtschaftliche Entwicklung hemmt.“

Eine arbeitende Generation sei der maximale Zeitraum, nach dem ein Steuersystem in Ordnung gebracht werden muss – „die letzte große Reform in Österreich liegt ein Vierteljahrhundert zurück.“ Gemeinsam mit der strukturellen Staatsverschuldung ergebe das eine gefährliche Abwärtsspirale, der mit aller Kraft entgegengewirkt werden müsse.

Die Vorschläge

Der von Deloitte vorgeschlagene Lösungsansatz liegt in einer radikalen Vereinfachung des Steuersystems und hier vor allem in einer Vereinheitlichung der Einhebung von Lohnsteuer und Sozialversicherung sowie einem neuen Tarif, der kleinere und mittlere Einkommen entlaste, heißt es weiter. Gleichzeitig müssen lange aufgeschobene Reformen in der Verwaltung angegangen werden, um die Treffsicherheit der öffentlichen Ausgaben zu erhöhen und den Staatshaushalt langfristig zu konsolidieren.

„Zweitens muss Österreich offener und flexibler werden – am Arbeitsmarkt ebenso wie bei Arbeitszeiten, in der Bildung oder im Umgang mit Talenten und Berufsbildern“, ergänzt Gundi Wentner, Partnerin Deloitte Österreich mit Schwerpunkt Human Capital. Österreich müsse „raus aus der Komfortzone“, so Wendtner: „Ausbildungen, Karrieren oder Lebensentwürfe generell sind heute nicht mehr linear. Dafür brauchen wir ebenso mehr Offenheit wie für vernünftige Immigration. Diese war in jeder Gesellschaft und zu jeder Zeit ein Garant für Innovation, und die ist wiederum lebensnotwendig für die Wirtschaft.“

Drittens brauche es ein deutlich risiko- und innovationsfreundlicheres Klima, denn die Wirtschaft lebt von investitionsfreudigem Kapital. „Die Geschichte beweist: Am Anfang jedes Erfolges standen Risikobereitschaft und privates Investment, das schafft Beschäftigung und Wohlstand“, erklärt Schuch, der davor warnt, den Wirtschaftsstandort Österreich für privates Kapital gänzlich unattraktiv zu machen. Stattdessen müsse man es fördern und Innovationskraft insbesondere von den zahlreichen Hidden Champions unseres Landes lernen. „Natürlich sind die großen Leistungen der öffentlichen Hand, allen voran unsere gute Infrastruktur und die hohe Lebensqualität, nach wie vor eine solide Basis für die Wirtschaft, aber im internationalen Wettbewerb ist das zu wenig. Wo heute Erfolg und Innovation draufsteht, ist in der Regel privates Engagement drin.“ Österreichs Wirtschaft brauche die KMU ebenso wie große, internationale Unternehmen.

Über das „Deloitte.Radar – Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Österreich“

Als Leitindex für die Analysen von Deloitte diente den Angaben zufolge der Global Competitiveness Index des Weltwirtschaftsforums. Zusätzlich wurden der World Competitiveness Index des International Institute for Management Development (IMD), der Global Innovation Index der renommierten Business School INSEAD, der Corruption Perceptions Index von Transparency International sowie der OECD Better Life Index herangezogen.

Die Ergebnisse seien angereichert mit hauseigenen nationalen und internationalen Studien von Deloitte sowie mit den Erfahrungen aus der täglichen Arbeit der rund 1.000 Mitarbeiter mit den 5.000 österreichischen Kunden – von KMU bis zu ATX-Unternehmen – aus allen Branchen. Damit will man eine möglichst neutrale Betrachtung der sieben Standortfaktoren sicherstellen; der Deloitte.Radar werde ab sofort jährlich publiziert.

Link: Deloitte

 

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