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Business, Recht, Tech

So geht es Sammelklagen-Plattform Cobin Claims nach 1 Monat

Jaindl, Kolba, Biegler, Rasinger ©Dimo Dimov / Cobin Claims

Wien. Die Plattform Cobin Claims will Sammelklagen für Otto NormalverbraucherIn möglich machen und sammelt seit einem Monat Geld per Crowdfunding. Vom Ziel ist man zwar noch deutlich entfernt, macht aber bereits mit Reformforderungen auf sich aufmerksam. Im Interview schildern Ex-VKI-Chefjurist Peter Kolba und seine Mitgründer den Zwischenstand – und was Cobin Claims bringen wird: Waffengleichheit im Ringen mit Giganten wie VW, günstigerer Zugang zum Recht, mehr Fairness – und mehr Geschäft für Anwälte.

Hinter Cobin Claims stehen Ex-VKI-Chefjurist Peter Kolba, Wirtschaftsprüfer Manfred Biegler und WirtschaftsBlatt-Journalist Oliver Jaindl. Mit Rat zur Seite steht ihnen dabei ein Beirat unter dem Vorsitz von Wilhelm Rasinger (Chef des Interessenverbands der Kleinanleger IVA).

In diesem Beirat sind viele der bekanntesten Anlegeranwälte Österreichs, aber auch Kulturschaffende, Wirtschaftstreibende und andere Personen des Öffentlichen Lebens versammelt. Nur vom angestrebten Ziel – Einsammeln von 61.000 Euro per Crowdfunding – ist man mit 9.020 Euro (zu Redaktionschluss, Anm.) noch deutlich entfernt.

Extrajournal.Net: Der Start der Crowdfunding-Phase von Cobin Claims liegt nun einen Monat zurück. Wie zufrieden sind Sie mit der Aufmerksamkeit und der Unterstützung, die das Projekt bis jetzt erzielt hat?

Jaindl: Der Zuspruch, den das Projekt in- und außerhalb von Sozialen Medien erhält, ist sehr ermutigend. Wir haben bereits über 60 Beiräte gewinnen können – siehe www.cobinclaims.at). Die Spenden sind – mit rund 11% der Zielsumme (zum Zeitpunkt des Interviews, Anm.) – derzeit noch gering.

Doch wir hoffen, das Spendenaufkommen mit dem Bekanntwerden von Cobin claims zu erhöhen und wir bemühen uns parallel auch um Finanzierungsbeiträge von jenen, die an Sammelklagen kommerzielles Interesse haben – also Rechtsanwälten und Prozessfinanzierern.

Warum soll es die Plattform geben, welche Lücke füllt sie?

Kolba: Der Diesel-Gate-Skandal von VW hat eines gezeigt: In den USA zahlt VW an die 20 Milliarden Euro, in Europa bislang nichts. Wieso? Das liegt daran, dass es in den USA mit den Sammelklagen ein effizientes Instrument gibt, um Unternehmen, die tricksen, den dadurch erzielten Gewinn wieder wegzunehmen.

In Europa hat sich die Wirtschaft bislang erfolgreich gegen eine europäische Sammelklage gewehrt und in den Mitgliedsstaaten besteht ein „Fleckerlteppich“ an Regelungen, die ebenfalls nicht effizient sind.

Dazu kommt, dass viele Verbraucherorganisationen, die staatlich finanziert sind, eine auffallende Zurückhaltung an den Tag legen, wenn es gilt gegen VW aufzutreten. Da wird der Ball sprichwörtlich „flach gehalten“. Daher wollen wir nicht staatlich, sondern von der Zivilgesellschaft finanziert werden und werden mit einer gemeinnützigen Stiftung auch eine Rechtsform wählen, die Interventionen nicht zulässt.

Weiters zeigt der VW-Skandal: Es sind Fahrzeughalter betroffen – egal ob Verbraucher oder Unternehmer. Die Verbraucher haben eine Vertretung: VKI und AK. Selbstständige und Klein- und Mittelbetriebe haben das nicht. Denn die WKÖ kann schwer die einen Mitglieder gegen die anderen Mitglieder vertreten. Daher hat Cobin claims ein exklusives Angebot an EPUs und KMUs bei Massenschäden. Egal ob VW oder das LKW-Kartell, Cobin claims wird hier eine Lücke schließen und die Interessen dieser Gruppe vertreten.

Die Buchstabenkombinatin „COBIN“ in „COBIN claims“ kürzt unsere Adressaten ab: Consumers, Business und Investors. Da in Österreich die Anlageskandale im Stakkato passieren, sind auch geprellte Anleger eine wichtige Zielgruppe.

Was bekommt ganz konkret jeder einzeln Unterstützer dafür, wenn er das Projekt auf Startnext mit ihrem Beitrag fördert?

Kolba: Cobin claims wird zum einen Rechtspolitik machen und effiziente Instrumente bei Massenschäden einfordern; zum anderen werden wir – ein Gelingen der Finanzierung vorausgesetzt – ab Herbst 2017 auch operativ tätig werden und Sammelaktionen anbieten. Wir wollen Geschädigte sammeln und dann – auf Augenhöhe – mit Anwälten und Finanzierern Angebote machen, wo die Geschädigten kein Prozesskostenrisiko tragen müssen. Denn nur dann können es sich viele leisten, ihre Rechte auch gerichtlich zu verfolgen.

Ist es denkbar, dass Ihre Cobin Claims-Unterstützer von heute zum Mitglied einer VW-Sammeklage der Zukunft o.ä. zu mutieren?

Biegler: Unser Crowdfunding zielt auf idealistische Spenden, nicht auf Rendite. Dennoch gibt es für Spender ein „Dankeschön“. Wer 100 Euro aufwärts spendet, bekommt seine Spende auf einen etwaigen Organisationsbeitrag bei Sammelaktionen angerechnet. Es gibt also durchaus auch einen Selbstzweck zu spenden.

Sie haben vor kurzem das Recht auf Verbandsklagen für Cobin Claims eingefordert. Was wären – vom Standpunkt der Konsumenten aus – die Vorteile, wie z.B. günstigere Gebühren?

Kolba: Im Jahr 1979 wurden die Sozialpartner und der VKI im Konsumentenschutzgesetz zum Führen von Verbandsklagen legitimiert. Böse Zungen sagen: Damals war man sicher, dass in der Praxis keiner solche Klagen führen wird. Das hat sich zum Teil auch bewahrheitet: WKÖ, Landwirtschaftskammer, ÖGB und Seniorenrat haben noch nie eine solche Klage geführt.

Der VKI dagegen hat – finanziert und protegiert vom Konsumentenschutzministerium – ab 1990 solche Klagen verstärkt geführt und viele Erfolge für die Konsumenten erreichen können. Cobin claims braucht diese Verbandsklagslegitimation auch, um einerseits Massenschäden in bestimmten Fällen über solche Verbandsklagen zu lösen und andererseits bei Sammelklagen nicht Gefahr zu laufen, dass nicht alle gesammelten Ansprüche vom OGH geprüft werden, weil deren Streitwert zu gering wäre.

Wie könnte dieses Recht auf Verbandsklagen konkret ausgestaltet sein? Derzeit dürfen ja nur einige wenige Organisationen dieses Instrument in Österreich einsetzen, eben die von Ihnen genannten. Wie soll es künftig sein: Gemeinnützige Organisationen – beispielsweise auch Max Schrems mit Europe vs. Facebook – oder alle Organsiationen bzw. generell jede natürliche oder juristische Person?

Kolba: Konkurrenz belebt. Daher wäre es höchst sinnvoll gemeinnützigen Organisationen – die bestimmte Kriterien erfüllen – das Verbandsklagerecht einzuräumen. Verbandsklagen dienen – das zeigt die Praxis – hervorragend dafür Rechtsprobleme rasch zu klären und in bestimmten Fällen sogar direkt – ohne weitere Klagen – Schadenersatz an die Betroffenen zu erzielen.

Es wäre rechtspolitisch auch höchst sinnvoll, bei gesetzwidrigen Handlungen auch eine Klage auf Abschöpfung des Unrechtsgewinnes einzuführen. Denn gerade bei Bagatell- und Streuschäden verfolgen die einzelnen ihre Ansprüche häufig nicht, mit der Folge, dass sich Unrecht für den Gesetzesbrecher lohnt. Das feuert ihn geradezu an, weiter so vorzugehen bzw verlockt gesetzestreue Mitbewerber dazu, es ihm gleich zu tun.

Wäre auch z.B. das niederländische oder US-Modell in Ihren Augen für Österreich interessant?

Jaindl: Wir haben die absurde Situation, dass die WKÖ sich gegen ein opt-out-Modell (Urteil oder Vergleich gilt für alle Geschädigten, die sich nicht binnen Frist abmelden) eingemauert hat. Dagegen wurde dieses Modell in den USA und bei Vergleichen in den Niederlanden auf Wunsch der jeweiligen Wirtschaft eingeführt. Denn es hat für Unternehmen, denen ein Missgeschick passiert, einige Vorteile: Man kann mit der Gruppe leichter zu einem Vergleich kommen, mit dem die Sache wirklich vom Tisch ist; in den Medien und in den Bilanzen. Weshalb sich die WKÖ dagegen sperrt ist uns unbegreiflich.

Ihre Crowdfunding-Aktion läuft noch bis 21. Juni 2017. Wird es in der verbleibenden Zeit weitere Aktionen geben, um das Licht der Öffentlichkeit auf das Projekt zu richten, was lassen Sie sich dazu alles einfallen?

Jaindl: Wir haben eine ganze Reihe von Ideen, wie Cobin claims bereits jetzt wirksam werden kann. Wir werden rechtspolitische Forderungen öffentlich argumentieren und mit Zahlen belegen, sodass eine Irreführung der Öffentlichkeit schwierig wird.

Ein Beispiel: Unlängst wurde eine EU-weite Justiz-Studie veröffentlicht. Justizminister Brandstetter hat hervorgehoben, dass Österreich im Spitzenfeld liege, wenn nach der Unabhängigkeit der Gerichte gefragt wird. Er verschweigt aber, dass in Österreich hohe Gerichtsgebühren eine echte Barriere für effektiven Rechtsschutz darstellen. Das ist aus der Studie auch nicht zu entnehmen, weil Österreich dazu einfach keine Daten geliefert hat. Wir werden solche Probleme aufzeigen und dem Verschweigen ein Ende setzen.

Wir geben auch kostenlose Newsletter für Verbraucher, Unternehmer und Investoren heraus und haben da – für die Zukunft – viele Ideen und – etwa im Beirat der Sachverständigen – auch die Kapazitäten werthaltige Informationen zu verbreiten.

Cobin Claims hat einen Vorteil, den viele andere Crowdfunding-Projekte nicht haben: Ein prominent besetztes Unterstützerteam, den Beirat. Es sind wohl bereits über 60 Personen – darunter viele der prominentesten Anlegeranwälte Österreichs. Wie haben Sie die so rasch davon überzeugen können?

Kolba: Zum einen haben viele der Anwälte bereits miteinander kooperiert. Cobin claims schafft hier aber einen neuen und größeren Rahmen. Es ist einfach überzeugend, dass es wirtschaftlich und strategisch keinen Sinn macht, wenn sich bei jedem Skandal die österreichischen Anwälte konkurrenzieren und – nur als Beispiel – jeder einzelne Akteneinsicht in einem Strafakt nimmt. Das kann ein Strafrechtsanwalt betreuen und den anderen die Information zur Verfügung stellen.

Es ist auch viel einfacher Vergleichsgespräche in Gang und zu Ende zu bringen, wenn man für eine große Gruppe verhandeln kann. Wir sehen hier einen Umbruch der bei Rechtsdienstleistungen vor sich geht: Beim VW-Skandal sammelt in Deutschland ein kommerzieller Finanzierer (MyRight) die Geschädigten und dahinter steht eine Sammelklagenkanzlei aus den USA.

Wir wollen dieses Modell „europäisieren“: Sammeln soll eine gemeinnützige und ideell ausgerichtete Plattform, vertreten werden Top-Anwälte – oft auch eine Gruppe von Anwälten – und finanzieren werden Prozessfinanzierer; geht es um besonders große Streitwerte auch ein Konsortium mehrerer Finanzierer. Wir sind – seit der Präsentation von Cobin claims – in der glücklichen Lage, dass die Experten auf uns zukommen und wir hier nicht erst große Überzeugungsarbeit leisten müssen.

Bedeutet es für Österreichs Anlegeranwälte die Aussicht auf mehr Auftragsvolumen, wenn Cobin Claims erfolgreich an den Start geht?

Biegler: Wenn man bei Massenschäden die Ansprüche der Geschädigten effizient sammelt und vertritt, dann steigert das mit Sicherheit das Auftragsvolumen der Anwälte und das ist gut so. Der Anreiz, dass das System funktioniert muss bei Anwälten und Finanzierern die Erwartung sein, ein gutes Geschäft zu machen.

Wir kennen in Europa leider viele Regelungen ohne solche Anreize. Die EU-Kommission gibt viel Geld für die Zusammenarbeit der Verbraucherbehörden. Deren Erfolg ist höchst bescheiden. Daher muss man, will man das ändern, klare finanzielle Anreize bieten.

Es ist uns aber wichtig zu unterscheiden: Anwälte und Finanzierer sollen Gewinne erwirtschaften könne, Cobin claims aber ist eine gemeinnützige Plattform, bei der wir derzeit Geld und Zeit einbringen, weil wir vom ideellen Ziel überzeugt sind. Auf Sicht sollen aber bei Cobin claims alle Arbeiten leistungsgerecht entlohnt werden.

Sollte es in den letzten Wochen eng werden, das Fundingziel zu erreichen – hegen Sie dann die Hoffnung, dass noch der eine oder andere aus Ihrem Beitrat in die Reihen der zahlenden Unterstützer tritt? Denn immerhin liegt die Zahl der zahlenden Unterstützter derzeit noch deutlich unter jener der (ideell beistehenden) Beiräte.

Biegler: Wir sind sehr sicher, dass wir – unter Mithilfe unserer Beiräte – die Finanzierung des Projektes erreichen werden.

Link: COBIN claims (Startnext)

 

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