Wien. Für das Staatsziel „Wettbewerbsfähiger Wirtschaftsstandort“ gibt es nicht die nötige Verfassungsmehrheit. Gleichzeitig wird um die UVP gepokert.
Der Nationalrat hat im Jahr 2013 beschlossen, über den Umweltschutz hinaus auch den Tierschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung, das Prinzip der Nachhaltigkeit bei der Nutzung natürlicher Ressourcen und die Forschung als verfassungsgesetzlich gewährleistete Staatsziele zu verankern. Nun sollte auch das Ziel eines wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandorts in diesen Katalog aufgenommen werden.
Doch der Wunsch der Regierungsparteien dürfte so bald nicht Realität werden, denn die dafür notwendige Zweidrittelmehrheit im Nationalrat ist derzeit nicht in Reichweite. Die Beratungen über einen entsprechenden Gesetzesvorschlag wurden jedenfalls vom Verfassungsausschuss des Nationalrats auf Antrag der Neos vertagt. Neos-Abgeordneter Nikolaus Scherak pocht auf eine Lösung im Streit um die neuen Regeln für UVP-Verfahren. SPÖ und Liste Pilz sind generell skeptisch, was neue Staatsziele betrifft, so die Parlamentskorrespondenz.
Der geplante Wortlaut
„Die Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich zu einem wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort als Voraussetzung für Wachstum und Beschäftigung“, heißt es im Wortlaut der von der Regierung vorgelegten Initiative ( 110 d.B. ). Gleichzeitig soll das entsprechende Bundesverfassungsgesetz in „Bundesverfassungsgesetz über Staatsziele“ umbenannt werden.
Begründet wird der Gesetzentwurf von der Regierung damit, dass der Wohlstand Österreichs und seiner Bürger erhalten und ausgebaut werden müsse und es eine wettbewerbsfähige Standortpolitik brauche, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Durch die neue Staatszielbestimmung würden die Vollzugsorgane verpflichtet, in jedem Einzelfall auch das öffentliche Interesse an einem wettbewerbsfähigen Standort – und damit auch an der Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen – zu berücksichtigen und mit den anderen Staatszielen zu vereinbaren, wird in den Erläuterungen festgehalten.
Ursprünglicher Anlass für die Initiative war das umstrittene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Bau der dritten Piste am Flughafen Wien, das in Folge jedoch vom Verfassungsgerichtshof gekippt wurde.
Die Neos denken um
Laut ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl hatte es mit den Neos bereits eine Einigung über das neue Staatsziel gegeben. Das bestätigte auch deren Abgeordneter Nikolaus Scherak. Demnach hätte der von der Regierung vorgeschlagene Gesetzestext in „Die Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich zu einem nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort als eine Voraussetzung für Wohlstand und Beschäftigung“ geändert werden sollen.
Es sei notwendig, das derzeit bestehende Ungleichgewicht bei den Staatszielen auszutarieren, ist sich Gerstl mit seinem Fraktionskollegen Klaus Fürlinger und FPÖ-Verfassungssprecher Harald Stefan einig. In diesem Sinn hofft er auch, bis zur nächsten Sitzung des Verfassungsausschusses doch noch eine Einigung zu erzielen. Eine Junktimierung des Vorhabens mit dem UVP-Gesetz lehnt Gerstl ab, die beiden Punkte hätten nichts miteinander zu tun.
Scherak pochte im Ausschuss allerdings auf Änderungen bei der geplanten UVP-Novelle. Man könne sich nicht auf der einen Seite zu einem Staatsziel nachhaltiger Wirtschaftsstandort bekennen und auf der anderen Seite die Mitwirkungsmöglichkeit von Umweltschutzorganisationen in UVP-Verfahren einschränken, sagte er. „Das geht nicht ganz zusammen.“ Unter anderem ist es ihm – wie auch den Umweltorganisationen selbst – ein Dorn im Auge, dass die NGOs künftig die Daten ihrer Mitglieder bekanntgeben müssen.
SPÖ und Liste Pilz gegen neue Staatsziele
Selbst wenn sich die Koalitionsparteien und die Neos doch noch einigen, droht das Vorhaben aber zu scheitern. Gemäß den Erläuterungen zur Regierungsvorlage ist für die neue Staatszielbestimmung nämlich nicht nur eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat, sondern auch im Bundesrat erforderlich.
Selma Yildirim (SPÖ) schloss im Ausschuss eine Zustimmung ihrer Fraktion allerdings kategorisch aus. Es wäre demokratiepolitisch bedenklich, würde man aufgrund eines einzelnen Anlassfalles eine neue Staatszielbestimmung kreieren, sagte sie. Yildirim sieht außerdem nicht ein, warum das Staatsziel Wirtschaftsstandort wichtiger sein soll als soziale Grundrechte.
Gar von einem „Nonsens“ sprach SPÖ-Verfassungssprecher Peter Wittmann. Ungeachtet einer ähnlichen Initiative in der vergangenen Legislaturperiode warnte er davor, widersprüchliche Staatsziele zu formulieren. Das führe dazu, dass das Parlament seine Entscheidungsbefugnisse an den Verfassungsgerichtshof abgibt.
Auch Alfred Noll (Pilz) und Johannes Jarolim (SPÖ) wandten sich gegen die Verankerung neuer Staatsziele. Staatsziele seien grundsätzlich „ein grenzenloser Schmarrn“, sagte Noll, damit wolle man ohnehin nur „politische Fähnchen schwingen“. Juristisch gesehen seien sie „Mist“.
„Lieber gar keine Staatsziele“
Der Staat solle sich nicht zu etwas bekennen, sondern geltendes Recht einhalten. Allerdings könne es passieren, dass RichterInnen, wie bei der Flughafen-Entscheidung, derartige politische Bekenntnisse als Rechtsvorschrift ernst nehmen, warnte er. In diesem Sinn hätte Noll auch nichts dagegen, sämtliche schon geltenden Staatszielbestimmungen aus der Verfassung zu streichen.
Sowohl Gerstl als auch Stefan werteten das jedoch als illusorisches Vorhaben. Auch wenn Staatsziele nicht der unmittelbaren Rechtsanwendung unterliegen, dienten sie doch als Vorgabe für den Gesetzgeber, nach welchen Zielen Gesetze zu beschließen seien, sagte Gerstl. Vor diesem Hintergrund kann er sich auch vorstellen, Rechte wie Bildung oder Gesundheitsversorgung als Staatsziele zu verankern.
Davon hält SPÖ-Abgeordneter Jarolim allerdings ebenso nichts wie Noll. Seiner Meinung nach wäre es „ein kompletter Holler“, ohnehin gewährleistete Grundrechte in Staatszielbestimmungen zu gießen. Dass seinerzeit der Umweltschutz und der Tierschutz als Staatsziele verankert wurden, begründete Jarolim damit, dass man diese Themen damit stärker in das Bewusstsein der Bevölkerung rücken wollte. Die nunmehrige Initiative der Regierung ist für ihn jedoch nur eine „Show“, schließlich sei das geplante Standortentwicklungsgesetz meilenweit von Nachhaltigkeit entfernt.
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