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Business, Recht

So wirkt die neue Investitionsverordnung

Tugce Yalcin ©DLA Piper

Gastbeitrag. Die DLA Piper-Spezialisten Christoph Mager und Tuğçe Yalçın beleuchten die Auswirkungen der neuen EU-Investitionsverordnung für ausländische Unternehmen in Österreich.

Im Schatten der Brexit-Verhandlungen entschied das Europäische Parlament am 14. 2. 2019 über die zukünftige Investitionspolitik innerhalb der EU und einigte sich mit dem Europäischen Rat und der Europäischen Kommission auf eine „Verordnung zur Schaffung eines Rahmens für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen“, mit der Investitionsvorhaben aus Drittstaaten überprüft werden sollen.

Christoph Mager ©DLA Piper

Christoph Mager, Partner bei DLA Piper Weiss-Tessbach und Leiter der Praxisgruppe Corporate/M&A, sowie Associate Tuğçe Yalçın (Corporate/M&A), die den DLA Piper China Desk in Österreich bilden, haben die neue EU-Verordnung und ihre möglichen Folgen analysiert.

Die neuen Regeln

Angesichts der steigenden Zahl von Übernahmen europäischer Unternehmen durch ausländische Investoren – 2017 investierten chinesische Investoren USD 57,6 Mrd in Europa – wächst offenbar auch die Skepsis gegenüber solchen ausländischen Direktinvestitionen. Nur um einige Beispiele aus naher Vergangenheit zu nennen:

  • Griechenland verkaufte die mehrheitlichen Anteile des größten Hafens des Landes an den staatlichen chinesischen Logistikkonzern China COSCO Shipping Corporation Limited.
  • In Deutschland gab es Investitionen durch chinesische Übernahmen in Zusammenhang mit den Unternehmen KUKA AG, AIXTRON SE oder OSRAM GmbH.
  • In Österreich erwarb ein chinesisches Unternehmen den führenden Flugzeughersteller Diamond Aircraft.

Im Februar 2017 traten die Wirtschaftsminister Deutschlands, Frankreichs und Italiens mit einem gemeinsamen Schreiben an die Europäische Kommission heran, sich zeitnah mit der Frage staatlich gelenkter, strategischer Direktinvestitionen von unionsfremden Investoren in europäische Hochtechnologieunternehmen zu beschäftigen. Die Europäische Kommission legte daraufhin am 14. 9. 2017 einen entsprechenden Vorschlag für eine Verordnung zur Schaffung eines Rahmens für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen vor.

Die Gründe für die Schaffung einer neuen Investitionsverordnung liegen offenbar in der Befürchtung, dass europäische Unternehmen und deren technologisches Know-how zusehends an chinesische Investoren ausverkauft werden könnten. Darüber hinaus fehlt in der EU ein einheitlicher oder zentraler Überprüfungsmechanismus für ausländische Direktinvestitionen – die Möglichkeit einer gesetzlichen Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen aus Gründen der Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung gibt es bislang nur in 14 EU-Mitgliedstaaten (u.a. in Österreich und Deutschland).

Durch ein neues EU-System soll daher eine enge Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedstaaten und der Kommission geschaffen werden, um ausländische Direktinvestitionen zu überprüfen, falls diese voraussichtlich die „Sicherheit oder die öffentliche Ordnung“ beeinträchtigen.

Am 14. 2. 2019 beschloss das Europäisches Parlament, ein EU-Instrument zur Überwachung ausländischer Direktinvestitionen einzuführen – konkret geht es um die neue Verordnung zur intensiveren Kontrolle von Direktinvestitionen in strategischen Sektoren durch ausländische Unternehmen.

Nach erster Analyse würde die neue Verordnung insbesondere folgende Auswirkungen für ausländische Investitionen in Österreich haben:

1. Vom österreichischen Außenwirtschaftsgesetz umfasste Investitionen

Gegenstand der neuen Verordnung sind ausländische Investitionen, die einem Genehmigungsverfahren nach dem österreichischen Außenwirtschaftsgesetz unterliegen. Genehmigungspflichtig ist eine ausländische Investition in ein Unternehmen mit Sitz in Österreich im Bereich der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (insbesondere Verteidigungsgüterindustrie, Sicherheitsdienste, Energieversorgung, Telekommunikation, Verkehr, Infrastruktur), wenn der Stimmrechtsanteil des ausländischen Investors an diesem Unternehmen zumindest 25 Prozent betragen soll (in Deutschland ist die Investitionsprüfung bereits ab einem Erwerb von mindestens 10 Prozent der Stimmrechte möglich, wenn das inländische Unternehmen eine Kritische Infrastruktur betreibt oder andere besonders sicherheitsrelevante Leistungen erbringt).

Das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW) als zuständige Behörde zur Erteilung außenhandelsrechtlicher Genehmigungen in Österreich entscheidet innerhalb eines Monats ab Einlangen des Genehmigungsantrages, ob sie eine bestimmte ausländische Investition im Rahmen der Investitionsverordnung überprüft oder nicht.

2. Mögliche Verzögerung des Genehmigungsverfahrens

Gelangt das BMDW zur Ansicht, dass ein Prüfverfahren nach dem österreichischen Außenwirtschaftsgesetz einzuleiten ist, teilt es der Kommission und den übrigen Mitgliedstaaten die ausländische Investition mit, die einer Überprüfung unterzogen wird. Das BMDW stellt auch gewisse Informationen (etwa Eigentümerstruktur, Wert der Investition, Produkte und Dienstleistungen des Investors, Finanzierung und Quelle der Investition) „so bald wie möglich“ bereit.

Die Mitgliedstaaten können Kommentare und die Kommission kann eine Stellungnahme an Österreich richten, wenn sie der Auffassung sind, dass eine „Beeinträchtigung der Sicherheit oder öffentliche Ordnung“ durch die entsprechende Investition vorliegen würde. Die Mitgliedstaaten und die Kommission teilen innerhalb von 15 Kalendertagen nach Einlangen der Information über die ausländische Investition ihre Absicht mit, Kommentare bzw Stellungnahme abzugeben. Die Kommentare und die Stellungnahme sind innerhalb von 35 Kalendertagen nach Eingang der genannten Information an Österreich zu übermitteln. Die Mitgliedstaaten und die Kommission können vor Abgabe der Kommentare/Stellungnahme um zusätzliche Informationen bezüglich der Investition ersuchen – diesfalls haben sie die Kommentare/Stellungnahme innerhalb von 20 Kalendertagen nach Eingang der zusätzlichen Informationen abzugeben. Die Kommission kann darüber hinaus im Anschluss an die Kommentare anderer Mitgliedstaaten eine Stellungnahme innerhalb von 5 Kalendertagen nach Ablauf dieser Fristen abgeben.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das neue EU-System zu einer mindestens zweimonatigen Verzögerung des Genehmigungsverfahrens in Österreich führen kann. Diese erhebliche Verzögerung ist jedenfalls im Vorfeld zu beachten, denn ein allfälliger Genehmigungsantrag nach österreichischem Außenwirtschaftsgesetz ist vor Abschluss des jeweiligen Vertrages (Signing) zu stellen. Wird ausnahmsweise ein sofortiges Handeln durch das BMDW erfordert, so teilt es den anderen Mitgliedstaaten und der Kommission seine diesbezügliche Absicht mit hinreichender Begründung mit.

3. Berücksichtigung der Kommentare / Stellungnahme

Das BMDW, das die Investition überprüft, berücksichtigt die Kommentare der anderen Mitgliedstaaten und die Stellungnahme der Kommission „in angemessener Weise“. Stellungnahmen im Sinne des europäischen Primärrechts sind zwar nicht verbindlich, aber de facto nicht bedeutungslos: so haben die Mitgliedstaaten die Stellungnahmen bei der Auslegung des nationalen Rechts zu berücksichtigen.

Beeinträchtigt eine ausländische Direktinvestition hingegen voraussichtlich „Projekte oder Programme von Unionsinteresse“ (Galileo und EGNOS, Copernicus, Horizont 2020, Transeuropäische Netze im Bereich von Verkehr / Energie / Telekommunikation, Europäisches Programm zur industriellen Entwicklung im Verteidigungsbereich, Ständige Strukturierte Zusammenarbeit) und richtet die Kommission diesbezüglich eine Stellungnahme an den jeweiligen Mitgliedstaat, trägt der Mitgliedstaat der Stellungnahme „umfassend Rechnung“ oder gibt der Kommission gegenüber eine Erklärung ab, falls er deren Stellungnahme nicht nachkommt.

Die Kommentare bzw. Stellungnahmen auf EU-Ebene werden für ausländische Investoren in der Praxis nicht unerheblich sein und in gewisser Weise auch das lokale Genehmigungsverfahren beeinflussen, weil die Behörden zum Teil begründen müssten, sollten sie die Stellungnahme der Kommission nicht berücksichtigen.

Dieses Prozedere kann ebenso zu einer Verzögerung des Genehmigungsverfahrens im jeweiligen Mitgliedstaat führen und einen effektiven, erfolgreichen Abschluss einer Transaktion maßgeblich verzögern.

4. Prüfung der faktischen Kontrolle eines ausländischen Unternehmens

Die Mitgliedstaaten, die bereits über einen Überprüfungsmechanismus verfügen (wie etwa Österreich), sorgen für die Aufrechterhaltung, Änderung oder Ergreifung von Maßnahmen, die zur Erkennung und Verhinderung der Umgehung der Überprüfungsmechanismen und -beschlüsse erforderlich sind.

Aus den Erwägungsgründen der neuen Verordnung geht klar hervor, dass dies die Investitionen aus der EU umfassen sollte, die die wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht widerspiegeln und die Überprüfungsmechanismen umgehen, wenn der Investor tatsächlich im Eigentum oder unter der Kontrolle einer natürlichen Person oder eines Unternehmens aus einem Drittstaat steht.

Genehmigungspflichtig nach österreichischem Außenwirtschaftsgesetz ist der Erwerb durch eine juristische Person oder Gesellschaft, die ihren Sitz in einem Drittstaat mit Ausnahme des EWR und der Schweiz hat. Bis dato waren daher ausländische Investitionen in Österreich über eine Gesellschaft mit Sitz in der EU genehmigungsfrei, weil diese ihren Sitz eben nicht in einem Drittstaat haben. Ob diese Vorgehensweise in Österreich weiterhin möglich sein wird, ist fraglich, weil dies eine „Umgehung des Überprüfungsmechanismus“ sein würde, die nach der neuen Verordnung zu verhindern gilt.

Diesfalls müsste das österreichische Außenwirtschaftsgesetz insofern angepasst werden, dass das BMDW bei ihrer Entscheidung über Genehmigungsverfahren bezüglich Investitionen durch ausländische Unternehmen auf deren faktische Kontrolle und nicht bloß deren Sitz abstellt.

5. Nachträgliche Kontrolle von ausländischen Direktinvestitionen

Mit der neuen Verordnung wird auch die Möglichkeit geschaffen, dass Mitgliedstaaten Kommentare und die Kommission eine Stellungnahme spätestens 15 Monate, nachdem die ausländische Direktinvestition abgeschlossen wurde, abgeben können.

Ob und inwieweit die Abgabe solcher Kommentare/Stellungnahmen nach Abschluss von ausländischen Investitionen eine Bindungswirkung in der Praxis haben können und ob damit eine allfällige Rückabwicklung von Investitionen einhergehen kann, bleibt abzuwarten.

6. Interne Kontaktstellen für die Durchführung des neuen EU-Systems

Es ist zu erwarten, dass zahlreiche Fragen in Zusammenhang mit der Umsetzung der neuen Verordnung entstehen werden, insbesondere, weil in der Verordnung Begriffe wie etwa „kritische Infrastruktur“ oder „sensible Einrichtungen“ nicht genauer definiert sind. Eine allfällige Konkretisierung dieser Begriffe durch die Judikatur des EuGH könnte Jahre dauern, weshalb mit erhöhter Rechtsunsicherheit innerhalb der EU zu rechnen ist.

Nachvollziehbar ist daher, dass eigens für die Durchführung des neuen EU-Systems jeder Mitgliedstaat und die Kommission eine Kontaktstelle einzurichten hat, die sich mit allen Fragen diesbezüglich befasst. Eine Expertengruppe stellt der Kommission Beratung und Fachwissen für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der EU zur Verfügung.

Die neue Verordnung tritt am 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft und gilt 18 Monate nach ihrem Inkrafttreten – etwa November 2020 – unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Die Autoren

Dr. Christoph Mager ist Partner sowie Leiter der Praxisgruppe Corporate/M&A und Mag. Tuğçe Yalçın BA MA ist Associate (Corporate/M&A) bei DLA Piper Weiss-Tessbach.

Link: DLA Piper

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