Wien. CHSH-Partner Mark Krenn schildert im Interview Trends am Immobilienmarkt, vom Investitionsboom bis zur Vertragsgestaltung: „Der Wohnungsmarkt ist stark in den Fokus ausländischer Investoren geraten.“
Extrajournal.Net: Der österreichische gewerbliche Immobilienmarkt entwickelt sich derzeit recht robust, wenn es nach den Marktforschern geht. Sehen Sie auch erhöhten Beratungsbedarf?
Mark Krenn: Aufgrund der ungebrochenen Nachfrage und den immer weitere steigenden Preisen für Bestandobjekte entdecken Investoren zunehmend wieder alternative Ankaufsstrukturen, mit denen sich doch noch akzeptable Renditen erzielen lassen können. Hier beobachten wir wieder vermehrt Forward Purchase- und Forward Funding Strukturen, die verglichen mit dem Ankauf eines bestehenden Objektes um einiges komplexer sind. Aber auch die Regelungsdichte nimmt von Jahr zu Jahr zu, die Bewegungsspielräume werden enger. Dadurch ergibt sich natürlich auch ein erhöhter Beratungsaufwand.
Große Investoren sind auf dem österreichischen Markt zunehmend aktiv, auch Auslandsinvestoren v.a. aus Deutschland. Welche der großen Assetklassen im Immobilienbereich – Büroimmobilien, Hotels, Wohnimmobilien – steht aus Ihrer Sicht im Fokus?
Krenn: In Österreich erleben wir gerade einen großen Investmentboom in Wohimmobilien. Bis vor wenigen Jahren war das im wesentlichen die Spielwiese der lokalen Player. Aber die hohe Stabilität des österreichischen Wohnungsmarktes hat sich herumgesprochen, sodass Österreich, und hier vor allem die größeren Städte Wien und Graz, stark in den Fokus ausländischer Investoren geraten sind.
Österreichs Immobilienmarkt folgt eigenen Regeln
Hier spielt in der Beratung das österreichische Mietrecht eine große Rolle, ist es doch mittlerweile eine der komplexesten Materien, die das österreichische Recht zu bieten hat. Das wird von deutschsprachigen Investoren gerne unterschätzt da sich keine Parallelen zum zB deutschen Mietrecht ziehen lassen. Davon abgesehen ist in Wien das Widmungsthema in aller Munde, Stichwort „geförderter Wohnbau“. Sofern man nicht schon über die notwendige Widmung verfügt, besteht beim Ankauf einer Liegenschaft ein gewisses Risiko. Es ist ja völlig unklar, mit welcher Intensität die Verwaltung der Stadt Wien diese Widmung in Zukunft anwenden wird.
Daneben gibt es einen starken Trend zu alternativen Beherbergungsmodellen wie zB Airbnb, Serviced Apartements oder dergleichen. Dieser Trend könnte mittelfristig Hotels unter Druck bringen. Was die alternativen Beherbergungsmodelle betrifft sind nur die Spezialfälle wie studentisches Wohnen oder Pflegeeinrichtungen gesetzlich geregelt. Zwar bewegen sich die alternativen Beherbergungsmodelle nicht im rechtsfreien Raum, es sind aber viele Detailfragen offen bzw. werden diese durch Gesetze beantwortet, die einen anderen Sachverhalt vor Augen hatten.
Wir haben hier erst kürzlich mit dem aus Deutschland stammenden „Arbeitskreis Hotelimmobilien“ die „Charta Temporäres Wohnen in Österreich“ mitgestalten dürfen. Das Ziel war eine schematische Einordnung der alternativen Beherbergungsmodelle aus allen möglichen Blickwinkeln. Wir mussten schnell feststellen, dass die Rahmenbedingungen in Österreich sowohl auf Bundes- aber auch auf Länder- und Gemeindeebene stark fragmentiert sind und ua Ausstattungsdetails in der rechtlichen Einordnung ausschlaggebend sein können. Verallgemeinernde Aussagen sind kaum möglich.
Auf dem Markt wird ein Trend zu Forward Deals festgestellt, also dem Verkauf einer Immobilie an einen Investor noch bevor sie fertiggestellt ist. Welche Zeiträume sind aus Ihrer Sicht dabei üblich – und gibt es rechtliche Besonderheiten, die zu beachten sind?
Krenn: Ja, diesen Trend nehmen wir sehr stark wahr. Wie lange ein Forward Deal bis zur Fertigstellung benötigt, hängt sehr vom Zeitpunkt des Einstieg durch den Investor und der Größe des Projekts ab. Ohne Baugenehmigung spielt natürlich auch die Stadtentwicklung eine Rolle – gibt es schon ein Konzept der Gemeinde für das betroffene Gebiet oder beginnt man erst mit der Einreichung sich hier Gedanken zu machen?
Die Stadt Wien hat hier ja schon einiges an Entwicklungsleistungen erbracht, wie zB den Stadtentwicklungsplan 2025 (STEP 2025), aus dem man schon wertvolle Erkenntnisse gewinnen kann. Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen: Sind Widmung und Liegenschaft beim Einstieg vorhanden aber muss noch die Baugenehmigung beantragt werden, so kann es schon zu Zeiträumen von bis zu zwei Jahren kommen, bis das schlüsselfertige Projekt steht.
Im Unterschied zum Forward Deal klassischer Prägung, bei der der Verkäufer das schlüsselfertige Produkt gegen Zahlung übergibt, steigen Investoren heute zu einem früheren Zeitpunkt ein. Sobald Liegenschaft, Widmung und Baugnehmigung vorliegen ist das „anentwicklete“ Objekt übergabereif. Bauherr im Zuge der Errichtung ist dann schon der Investor, während der Verkäufer oft als Totalunternehmer das Gebäude nach den im Vorfeld vereinbarten Plänen errichtet. Die Finanzierung der Errichtung erfolgt dann bereits durch den Investor, das sogenannte Forward Funding.
Das damit verbundene Risiko ist evident: zum einen muss das Insolvenzrisiko des Totalunternehmers abgesichert werden, zum anderen ist das Risiko der mangelhaften Erfüllung größer, man „sitzt“ schon auf der Immobilie. Professionelle Investoren setzen daher auf eine intensive begleitende Baufortschrittskontrolle, um bei Problemen frühzeitig eingreifen zu können. Der Entwickler hat das Risiko, dass er zum Festpreis verkauft – höhere Kosten gehen zumeist auf sein Konto.
Rechtlich und auch steuerlich spielt auch noch das Verhältnis von Liegenschaftskaufpreis und Werklohn eine ganz wesentliche Rolle. Hier sollte unbedingt auf das Know-how von erfahrenen Spezialisten zurückgegriffen werden, um das Schreckgespenst der „verbotenen Einlagenrückgewähr“ in Schach zu halten.
Was sollten Investoren oder auch Verkäufer rechtlich derzeit außerdem im Auge behalten?
Mit Spannung darf natürlich die angekündigte Reform des Mietrechtsgesetzes erwartet werden, wobei deren Inhalt ja wesentlich von den aktuellen Entwicklungen und der politischen Neuordnung in den kommenden Monaten abhängen wird. Eine Verzögerung ist wohl zu erwarten.
Ein neues Feld betreten werden wir jedenfalls mit dem Thema Proptech, das in einem gewissen Spannungsverhältnis zum Datenschutz steht. Energieeffizienzsteigernde Maßnahmen können zu einem erhöhten Aufwand in der Administration führen und somit Kostenersparnisse wieder auffressen; ohne aktives Management ist Proptech praktisch nicht möglich. Die automatisierte Steuerung und Verwaltung eines Gebäudes ist aber die Zukunft, da sollte man sich keinen Illusionen hingeben. Der Betreibervertrag wird sich dann nahtlos in die Reihe der anderen Wartungs- und Dienstleistungsverträge einreihen, die für den Betrieb einer Immobilie notwendig sind. Entwickler und auch Investoren sind gut beraten dieses Thema ernst zu nehmen und auf Experten zu setzen um hohe Strafen zu vermeiden.
Mag. Mark Krenn ist Partner bei CHSH Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati
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