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Bildung & Uni, Business, Recht

Gastbeitrag: Umwelt braucht neue Verfahrensregeln

Dieter Altenburger ©Jarolim Partner / Anna Stöcher

Umweltrecht. Für die Komplexität und Dauer von Umweltverfahren ist die Öffentlichkeitsbeteiligung von großer Bedeutung. Dieter Altenburger, Herausgeber eines neuen LexisNexis-Kommentars zum Umweltrecht, fordert in seinem Gastbeitrag dringend eine umfassende Reform.

Bei umweltrechtlichen Veranstaltungen der letzten Jahre kann eine Diskussion über die Frage, ob umweltrechtliche Verfahren zu lange dauern, fast schon als obligatorisch angesehen werden. Und jedes Mal gehen die Wogen hoch.

Unüberwindbar scheinen die Gräben zwischen jenen zu sein, die auf schnellere Verfahren pochen und jenen, die darin einen Angriff auf die Öffentlichkeitsbeteiligung sehen. Die einen verweisen auf die Schäden für die Wirtschaft, die anderen auf solche für die Umwelt. Die Dauer der Verfahren steht im diametralen Verhältnis zu wirtschaftlichen Interessen, während lange Verfahren der Umwelt hingegen dienlich zu sein scheinen.

Tatsächlich geht es bei dem Problemkreis weniger um den (inhaltlichen) Umweltschutz an sich, als um den Umfang der Öffentlichkeitsbeteiligung.

Von einer Verlängerung profitiert keine Seite automatisch

Ein gewisser Zusammenhang zwischen Umweltschutz und Öffentlichkeitsbeteiligung ist nicht bestreitbar – regelmäßig schreiben die Verwaltungsgerichte auf Basis von Rechtsmitteln der betroffenen Öffentlichkeit zusätzliche Auflagen vor. Davon abgesehen bedeutet eine Verfahrenswiederholung im Falle einer Aufhebung noch nicht zwangsweise eine Besserstellung des erfolgreichen Rechtsmittelwerbers im zweiten Verfahrensgang.

Oft sind der Behörde unterlaufene Verfahrensfehler einfach zu sanieren. Die betroffene Öffentlichkeit hat durch den zweiten Verfahrensgang häufig nichts gewonnen, der Projektwerber jedoch sicher einiges an Zeit und Aufwand verloren. Ebenso wenig kann, aus überlangen Behörden- und Gerichtsverfahren mit unzähligen Schriftsatzwechseln, abstrakt gesehen, auf ein bestimmtes, daraus resultierendes Umweltschutzniveau geschlossen werden.

Im Umkehrschluss lässt sich festhalten, dass durch schnellere Verfahren der Umweltschutz keinesfalls zwangsweise beeinträchtigt sein muss.

Wo bleibt der Netz- und Kraftwerksausbau für die Umweltziele?

Ein anderer wesentlicher Aspekt wird in der Diskussion gar nicht bis kaum erwähnt. Die österreichische Klima- und Energiestrategie (#Mission 2030) sieht den Netz- und Kraftwerksausbau (insbesondere jenen von Pump-Speicherkraftwerken) als Mittel zur Erreichung von Treibhausgaszielen vor.

Wenig überraschend sind auch für „umweltschützende Projekte“ (Stichwort: Senkung der Treibhausgase) Bewilligungsverfahren notwendig, regelmäßig wird es sich um UVP-Verfahren handeln. Wenn diese eine ähnliche Verfahrensdauer, wie die „380kV- Salzburgleitung“ haben (77 Monate), dann werden aufgrund der notwendigen Projekte dafür im Jahr 2030 wohl kaum die Klimaziele erreicht, aber immerhin – unter Einberechnung der Planungszeit – einige Verfahren abgeschlossen werden.

Insofern gilt es das Verfahrensrecht derart zu gestalten, dass beiden Interessen – Wirtschaft und Umwelt – Rechnung getragen wird. Dies ist, ohne Zweifel möglich. Allein der Wille zur Veränderung eingefahrener rechtlicher Rahmenbedingungen, scheint enden wollend. Ein einheitliches Anlagenrecht wird schon seit Jahren gefordert. Dies würde nicht nur der Wirtschaft durch klarere Strukturen helfen, sondern auch Projektgegnern, denen verständliche Regeln allemal lieber sind, als weit verstreute Genehmigungstatbestände in verschiedenen Materien, die teilweise – obwohl sie gleichzeitig erlassen wurden (Stichwort: Aarhus-Beteiligungsgesetz) keiner einheitlichen Logik folgen.

Ebenso könnte durch umfassendere Verfahrenskonzentration in den Materiengesetzen, wie im 2. Abschnitt des UVP-G bereits verwirklicht, eine Beschleunigung erreicht werden. Für die Beschleunigung von Verfahren bedarf es nicht der Beschränkung von Parteistellungen und Verkürzung von Stellungnahmefristen, sondern vielmehr zeitlicher Regeln für Abgabe von Stellungnahmen.

Die Frage der Fristen

Nachdem die Präklusion in Umweltverfahren stark ins Wanken gebracht wurde, ist es – nach Ansicht der Lehre – für die betroffene Öffentlichkeit nicht nur möglich, wie bisher, kurze Einwendungen im Laufe des Verfahrens mehrmals und umfassend zu ergänzen, sondern nach mehrjährigen Verfahren, völlig neue Argumente vorzubringen, die oftmals der gutachterlichen Beurteilung bedürfen.

©LexisNexis

Während dies im zivilrechtlichen Verfahren undenkbar ist (Kostenfolgen, Kostenseparation, Präklusion etc), scheint es der betroffenen Öffentlichkeit nicht zumutbar zu sein, ihre Stellungnahmen während der entsprechenden Fristen abzugeben, vielmehr müsse ihnen scheinbar die Möglichkeit offen stehen, umfangreiche Schriftsätze am Tag vor der Verhandlung oder direkt während der Verhandlung einzubringen. Argumentativ wird meist ins Treffen geführt, dass aufgrund der umfangreichen Unterlagen, eine vorherige Befassung nicht möglich war.

Das mag in Einzelfällen zutreffend sein, allerdings wird dieses Argument genauso zu Unterlagen vorgebracht, die schon vor Jahren öffentlich aufgelegt wurden. Hier bräuchte es zwar nicht zwingend Präklusionsregeln und schon gar nicht Genehmigungsfiktionen, aber zumindest Bestimmungen, wonach nur ein Vorbringen, das während offener behördlicher Fristen eingebracht wurde, beachtlich ist.

Eine neue Bundesregierung würde gut daran tun, die teilweise veralteten und zersplitterten Verfahrensregeln, die größtenteils keine Umweltverfahren mit größeren Parteienkreisen im Blickfeld hatten, einer Revision in Hinblick auf die anstehenden Aufgaben zu unterziehen.

Der Autor

Rechtsanwalt Dr. Dieter Altenburger, MSc, ist Partner bei Kanzlei Jarolim in Wien und Herausgeber des LexisNexis-Kommentars zum Umweltrecht,  dessen 2. Auflage Materien wie zB Aarhus-Beteiligungsgesetz und Standort-Entwicklungsgesetz aufgreift.

Link: Jarolim Partner Rechtsanwälte

 

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