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Recht, Tipps

Notare diskutieren am heutigen Delegiertentag über Reform des Erbrechts

Ludwig Bittner © Notariatskammer

Innsbruck/Wien. Weite Teile des österreichischen Erbrechts sind zweihundert Jahre alt. Obwohl mehrmals punktuell geändert, bestehe dringender Anpassungsbedarf an „moderne gesellschaftliche Verhältnisse“ – besonders in den Bereichen Anrechnungsrecht und Pflichtteilsrecht, so die Forderung der Österreichischen Notariatskammer.

Laut einer Online-Umfrage des Marktforschungsinstituts Marketagent.Com im Auftrag der Kammer mangle es der Bevölkerung beim Thema Erben markant an Wissen: Fast 63 Prozent der Befragten nennen die Notare als die Experten, von denen sie sich die gewünschten Informationen erwarten. Dies sei „ein klarer Auftrag“, erklärt Ludwig Bittner, Präsident der Österreichischen Notariatskammer.

Für die Umfrage wurden mehr als 1.000 Personen zwischen 30 und 69 Jahren über ihr Wissen zum Thema „Erbrecht“ befragt – passend zum heutigen Delegiertentag der Notariatskammer, der in der Aula der Universität Innsbruck stattfindet.

„Das ist für uns ein klarer Auftrag“, erklärt Ludwig Bittner, Präsident der Notariatskammer. Er bezeichnet die Studie als „Bestätigung für den aktuellen Kurs“ der Notariatskammer.

Man wolle beim Thema Erbrecht „Wissenschaft und Praxis zusammenführen“, um so die wissenschaftlichen Reformideen um die „Aspekte aus der Praxis zu ergänzen“, so Bittner.

Beim Delegiertentag des Österreichischen Notariats 2011 heute, den 20. Oktober, in Innsbruck biete sich dafür bei Vorträgen und Diskussionen die ideale Gelegenheit, ist er überzeugt.

Die Forderungen: Stundungsmöglichkeit von Pflichtteilsansprüchen

Das Pflichtteilsrecht sei im Rechtsbewusstsein unserer Gesellschaft verankert und soll daher auch bestehen bleiben, so die Kammer. Übereinstimmung herrsche darüber, dass dem Pflichtteilsrecht in seinen möglichen Konsequenzen die „Schärfe“ genommen werden soll, heißt es.

Der Knackpunkt sei nämlich: Nach gültigem Recht können Hinterbliebene ihren Pflichtteilsanspruch grundsätzlich gleich nach dem Ableben des Erblassers geltend machen.

Das könne problematisch werden: Zum Beispiel wenn der Nachlass ein Unternehmen oder ein Unternehmensanteil ist und die Einforderung des Pflichtteils den Betrieb in seiner Überlebensfähigkeit gefährdet.

„Zur Diskussion stehen hier Vorschläge, ob bzw. unter welchen Umständen der Erblasser verfügen und/oder der Erbe verlangen kann, dass die Pflichtteilsansprüche ratenweise erfüllt werden können“, meint Bittner.

Geprüft werde auch, ob eine solche Stundungsmöglichkeit nur bezüglich Pflichtteilsansprüchen im Zusammenhang mit einem Unternehmen oder generell gesetzlich vorgesehen werden soll.

Denn ebenso dramatisch könne es sein, wenn der überlebende Ehegatte das Haus bzw. den Hausanteil, in dem er lebt, verkaufen muss, um den Pflichtteil sofort ausbezahlen zu können.

Folgende Fragen stehen außerdem zur Diskussion:

  • „Soll den Vorfahren eines Erblassers ohne Nachkommen überhaupt ein Pflichtteilsrecht zukommen?“
  • „Ist die Höhe der Pflichtteilsquote angemessen?“
  • „Sind die Enterbungsgründe noch zeitgemäß und sollten sie nicht um einen weiteren Grund, die „tiefreifende Entfremdung“ zwischen Erblasser und Pflichtteilsberechtigtem, erweitert werden?“
  • „Inwieweit kann dem Pflichtteil auch durch Zuwendung eines Dauerrechts (Wohnrecht, Fruchtgenussrecht, Rente, etc.) entsprochen werden?“

 

Zur Diskussion: Das Anrechnungsrecht

Derzeit sei das Anrechnungsrecht unübersichtlich und teilweise unverständlich im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch, ABGB, geregelt. Im Mittelpunkt der Diskussion stehen vor allem zwei wesentliche Punkte:

  1. „Soll eine Zuwendung an ein Kind automatisch auf dessen Erb- und Pflichtteil angerechnet werden oder nur dann, wenn dies vereinbart wird?“
  2. „Welche Zuwendungen sind in die Pflichtteilsbemessungsgrundlage der übrigen Pflichtteilsberechtigten rechnerisch einzubeziehen? Grundsätzlich alle oder nur solche, die innerhalb eines gewissen Zeitraumes vor dem Tod des Erblasser gemacht wurden?“

„Sowohl vom Inhalt als auch von der Gesetzessystematik her ist dieses Recht reformbedürftig“, analysiert Ludwig Bittner, Präsident der Österreichischen Notariatskammer.

Reformforderung: Güterrechtlicher Ausgleich bei Scheidung und Erbfolge

Nach geltender Gesetzeslage wird bei einer Scheidung zwischen den Ehepartnern ein Vermögensausgleich vorgenommen. Dieser orientiert sich am Beitrag jedes Ehegatten zur Ansammlung des ehelichen Vermögens und ist grundsätzlich unabhängig von den Eigentumsverhältnissen. Bei der Erbfolge sei dies derzeit nicht der Fall, so die Kammer.

Die Notariatskammer nennt ein Beispiel: „Die Frau bringt ein Baugrundstück in die Ehe ein. Hierauf errichten die Ehegatten sodann während der Ehe ein Wohnhaus mit wesentlichen finanziellen Beiträgen des Mannes. Im Scheidungsfall wird das Vermögen zwischen den Ehegatten unter Berücksichtigung der von jedem Ehegattenteil geleisteten Beiträge und des Wohles der Kinder aufgeteilt. Nicht so im Falle des Todes: Stirbt die Frau, fällt das gesamte Grundstück mit dem Haus in ihren Nachlass, ohne dass dem Mann vorab ein Ausgleichsanspruch für die von ihm geleisteten Beiträge zusteht. Stirbt der Mann, so gehört zu seinem Nachlassvermögen keine Forderung auf Ausgleichszahlung für die von ihm beim Hausbau geleisteten Beiträge.“

Diese Diskrepanz wolle man unter die Lupe nehmen und prüfen, erklärt Bittner.

Link: Österreichische Notariatskammer

 

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