Wien. Die neue Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle ist mit 1. Jänner 2014 in Kraft getreten. Obwohl damit der Instanzenzug im Verwaltungsrecht um einiges vereinfacht wurde, verursachte die Reform zum Teil auch starke Unsicherheit und bedeutenden Weiterentwicklungsbedarf.
In ihrem Gastbeitrag bietet Stefanie Steiner von Graf & Pitkowitz Rechtsanwälte einen kurzen Überblick über die wichtigsten Eckpunkte der Novelle sowie das damit in Kraft getretene Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz.
Mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 wurde die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich neu geregelt. Seit dem 1. Jänner 2014 besteht in jedem Land ein (Landes-) Verwaltungsgericht sowie auf Bundesebene zwei Verwaltungsgerichte, das Bundesverwaltungsgericht sowie das Bundesfinanzgericht.
Das 9+2 Modell
Man spricht deshalb auch vom „9+2 Modell“. Mit dem Tag des in Kraft tretens wurden auch die Unabhängigen Verwaltungssenate (UVS) und eine ganze Reihe anderer Behörden, wie der Asylgerichtshof oder das Bundesvergabeamt aufgelöst und durch die neuen Gerichte ersetzt. Somit ist es nicht mehr möglich, Berufung von einer Verwaltungsbehörde an eine andere Verwaltungsbehörde zu erheben, sondern lediglich, Beschwerde gegen eine Verwaltungsbehörde an ein Verwaltungsgericht.
Beispielsweise kann nun jeder, der sich in seinen Rechten als verletzt ansieht, wie durch einen Bescheid oder durch die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, aber auch der Bundesminister oder eine Schulbehörde, Beschwerde an das Verwaltungsgericht erheben. Ein zweitstufiger Instanzenzug ist damit gesichert und eine starke Vereinfachung zur alten Rechtslage soll sich vollziehen.
Verwaltungsgericht oder Verwaltungsgericht?
Die Reform verursachte auch Verunsicherung und jede Menge Klärungsbedarf. Sowohl die Parteien, (Behörden sowie juristischer und natürlicher Personen), als auch die Gerichte selbst sind davon tangiert. Genauso wirft auch das damit verbundene Verfahren zahlreiche neue Fragen auf: wo ist die Beschwerde einzubringen, ändern sich etwaige Fristen, was hat die Beschwerde für Wirkungen,…?
Zunächst steht allerdings die grundlegende Thematik zur Debatte: Handelt es sich nun um ein Gerichtsverfahren im reinsten Sinn oder doch ein Verwaltungsverfahren nach den Bestimmungen des Allgemeines Verwaltungsgesetz (AVG)?
Für Verfahren vor den neuen Verwaltungsgerichten gilt grundsätzlich das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013. § 17 VwGVG erklärt allerdings auch das AVG und sonstige in verwaltungsbehördlichen Verfahren angewendete Verfahrensgesetze, wie beispielsweise das Agrarverfahrensgesetz (AgrVG) oder die Bundesabgabenordnung (BAO) für anwendbar.
Gleichzeitig sind die Verwaltungsgerichte aber Gerichte – keine Behörden – und das von ihnen zu führende Verfahren muss als ein gerichtliches organisiert werden. Auch werden die wichtigsten Voraussetzungen von Richtern – ihre Unabhängigkeit – gemeinsam mit den Grundsätzen der Unversetzbarkeit und Unabsetzbarkeit mittels Verweis des Art 134 (idF 2014) auf Art 87 B-VG und Art 88 B-VG gesichert. Der Verwaltungsrechtsschutz soll somit durch eine von der Exekutive zu unterscheidende Einrichtung wahrgenommen werden.
Die Frage ist also: geht es nun um Verwaltungsgerichte, die von der Verwaltung möglichst unabhängig sein sollen und hauptsächlich gerichtlich organisiert sind, oder um Verwaltungsgerichte, die den bestehenden Verwaltungsschutz so weitgehend als möglich fortführen sollen und somit eher verwaltungsbehördlich ausgerichtet sind?
Die wesentlichen Modifikationen der Novelle liegt grundsätzlich in der Beseitigung des administrativen Instanzenzuges. Das bedeutet zukünftigt:
1. Alle Bescheide einer Verwaltungsbehörde sollen mittels Beschwerde direkt beim Verwaltungsgericht bekämpft werden (ausgenommen die Bescheide von Gemeinden im eigenen Wirkungsbereich). Die Beschwerden sind innerhalb von vier Wochen ab Zustellung des Bescheides der Verwaltungsbehörde einzubringen, und zwar bei jener Behörde erster Instanz, die den Bescheid erlassen hat.
2. Diese Behörde hat in Anlehnung an § 64a AVG die Möglichkeit der Beschwerdevorentscheidung, wogegen als Rechtsmittel ein Vorlageantrag an das Verwaltungsgericht gestellt werden kann. Durch die stärkere Eigenreflexion der Behörde sollen damit die Verwaltungsgerichte entlastet werden.
3. Wird keine Beschwerdevorentscheidung erlassen, werden der Akt und die Beschwerde unverzüglich dem Verwaltungsgericht vorgelegt. Vor dem Verwaltungsgericht findet eine öffentliche, mündliche Verhandlung statt, welche in bestimmten Fällen entfallen kann.
4. Das Verfahren wird grundsätzlich mit Erkenntnis abgeschlossen, welches den Parteien schriftlich zuzustellen ist.
5. Gegen die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte kann innerhalb von sechs Wochen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nur bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zulässig (Art 133 Abs 4 B-VG).
Es bleibt spannend
Eine grundlegende Aufgabe der Verwaltungsgerichte ist es, schnelle und effektive Erkenntnisse zu erlassen. Die Verwaltungsverfahrensgesetze sollen dazu den Verwaltungsgerichten das nötige Backup geben.
Es bleibt jedenfalls spannend, ob die meiner Ansicht nach, vor allem aufgrund ihrer Unabhängigkeit, doch überwiegend gerichtlich ausgerichteten Verwaltungsgerichte dieser zentralen Aufgabe gerecht werden können.
Autorin Dr. Stefanie Steiner, LL.M. ist Konzipientin bei der Graf & Pitkowitz Rechtsanwälte GmbH.
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