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Recht

Gastkommentar: Das reformierte Pflichtteilsrecht

Dominik Zimmermann ©Lukas Lorenz / GPP
Dominik Zimmermann ©Lukas Lorenz / GPP

Wien. Das „reformierte“ Pflichtteilsrecht im Blick: Den Neuerungen des Pflichtteilsrechts durch das ErbRÄG 2015 widmet sich Dominik Zimmermann von Graf & Pitkowitz Rechtsanwälte in seinem Gastkommentar.

Seit Jahren wird viel über die Notwendigkeit der Reformierung bzw. generell über die Notwendigkeit der Beibehaltung des Pflichtteilsrechts diskutiert. Mit dem Erbrechts-Änderungsgesetz 2015 (1) wurde das gesamte Erbrecht einer umfassenden Reform unterzogen, es stellt dies die bisher größte Novellierung des österreichischen Erbrechts dar (2).

Schlagend werden die neuen Bestimmungen erst nach Legisvakanz, mit Stichtag zum 1.1.2017. Die neuen Regelungen sind daher erst bei Todesfällen ab diesem Zeitpunkt anzuwenden. Mit dem ErbRÄG 2015 hat sich der Gesetzgeber – begrüßenswerter Weise – für die Beibehaltung des Pflichtteilsrechts entschieden, wenn auch mit einigen Änderungen:

Kreis der abstrakt pflichtteilsberechtigten Personen

Der Kreis der abstrakt pflichtteilsberechtigten Personen wurde reduziert; der nach alter Rechtslage den Aszendenten zukommende Pflichtteilsanspruch gestrichen. Pflichtteilsberechtigt sind somit gemäß § 757 ABGB nF nur mehr die Nachkommen, zu denen gemäß § 197 Abs. 1 ABGB auch Wahlkinder gezählt werden, sowie der Ehegatte oder eingetragene Partner des Verstorbenen.

Eltern, Großeltern und Urgroßeltern des Verstorbenen gehören daher nicht mehr zum Kreise der Pflichtteilsberechtigten.

Möglichkeit der Stundung des Pflichtteils

Wurde der Pflichtteilsberechtigte vom Erblasser nicht (ausreichend) bedacht, so stand diesem nach alter Rechtslage ein sofort fälliger Geld-Anspruch gegen den Nachlass bzw. Erben zu. Durch diesen sofort fälligen Anspruch kam es nicht selten zu einer Bedrohung oder gar Zerschlagung von Vermögenswerten (vornehmlich Liegenschaften oder Unternehmen) durch Notverkäufe.

Diesem Kritikpunkt wurde mit dem ErbRÄG 2015 insofern Rechnung getragen, als versucht wurde diese Problematik gemäß dem Grundsatz des gelindesten Mittels (3) durch eine Stundungs- und Ratenregelung zu entschärfen.

Gemäß § 766 Abs. 1 ABGB nF hat der Verstorbene nun die Möglichkeit den Pflichtteil letztwillig auf maximal fünf Jahre zu stunden (4). Der geordnete Unternehmensübergang nach dem Tod soll dadurch erheblich erleichtert sowie die Zerschlagung von Unternehmen verhindert werden.

Stärkung der Privatautonomie sowie weitere Änderungen

Die Voraussetzungen der Pflichtteilsminderung (auf die Hälfte) wurden gelockert. Es wird nun nicht mehr gefordert, dass zwischen Verstorbenen und Pflichtteilsberechtigten niemals ein Naheverhältnis bestanden hat, es reicht vielmehr aus, dass ein solches Verhältnis über einen längeren Zeitraum vor dem Tod nicht bestanden hat.

Neugeregelt wurde weiters die Eignung der zur Pflichtteilsdeckung herangezogenen Zuwendungen. Nach alter Rechtslage musste gemäß § 774 ABGB aF der Pflichtteil dem Noterben ganz frei bleiben. Jede den Pflichtteil einschränkende Bedingung oder Belastung war ungültig. Nunmehr sind gemäß § 762 ABGB nF mit Bedingungen und Belastungen behaftete Zuwendungen zur Pflichtteilsdeckung geeignet, sie müssen aber bei der Bewertung der Zuwendung – mindernd – berücksichtigt werden.

Auch die Anrechnung im Pflichtteilsrecht wurde grundlegend neu geregelt. Die nach alter Rechtslage bei der Pflichtteilsberechnung vorzunehmende komplizierte Unterscheidung zwischen Schenkungen, Vorempfängen und Vorschüssen wurde aufgegeben. Bei Zuwendungen zu Lebzeiten des Verstorbenen unterscheidet das Gesetz nunmehr nur mehr zwischen der Anrechnung und der Hinzurechnung. Demnach ist unter Hinzurechnung die rechnerische Addition des Werts der Schenkung zur Verlassenschaft zu verstehen. Durch die Anrechnung wiederum vermindert sich der jeweilige Pflichtteil des Empfängers der Zuwendung.

Schließlich wurden die Enterbungsgründe in § 770 ABGB nF selbständig geregelt und moderat erweitert. Mit § 772 ABGB nF wird außerdem klargestellt, dass eine Enterbung auch stillschweigend erfolgen kann. Hierzu bedarf es allerdings eines Enterbungsgrundes, der zum Zeitpunkt der Enterbung einerseits vorlag und andererseits tatsächlich ursächlich war.

Anmerkungen

1) BGBl. I 2015/87
2) Wenngleich nahezu alle Paragraphen des ABGB mit erbrechtlichem Inhalt geändert wurden, täuscht der erste Blick: in der überwiegenden Zahl wurden die Bestimmungen lediglich in neue Paragraphen umformuliert.
3) Umlauft, „Das ABGB und die Vermögensnachfolge von Todes wegen: Brennpunkt Pflichtteilsrecht“ in 200 Jahre ABGB Evolution einer Kodifikation.
4) Darüber hinaus ist der Pflichtteil gemäß § 767 Abs. 1 nF auf Verlangen des Pflichtteilsschuldners gerichtlich zu stunden, soweit diesen die Erfüllung unter Berücksichtigung der Umstände unbillig hart treffen würde.

Autor Mag. Dominik Zimmermann ist Rechtsanwaltsanwärter bei Graf & Pitkowitz Rechtsanwälte

Link: Graf & Pitkowitz

 

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