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Bildung & Uni, Nova, Recht

400 Jahre Operngeschichte: Von Napoleon bis Alagna

©Metzler/Bärenreiter

Graz. Von Napoleons Fanfare bis Virtuosen-Gehälter: Verblüffendes vor und hinter dem Opern-Vorhang schildert Univ.-Prof. Michael Walter, Musikwissenschafter der Uni Graz, in seinem Buch zu 400 Jahren Opernbetrieb – von der Musik bis zum Theaterrecht.

Kaiser Napoleon ließ sich stets lautstark mit Fanfaren ankündigen, wenn er, meist mitten während der Aufführung, im Opernhaus ankam; seine Gattin Josephine mühte sich dagegen eher selten mit den prunkvollen Gewändern ab und erschien öfters im Morgenmantel in ihrer Loge – selbstverständlich durch einen Sichtschutz vor den neugierigen Blicken der Bürgerlichen verborgen.

Solche kuriosen Begebenheiten und Anekdoten werden im Buch „Oper – Geschichte einer Institution“ von Walter, Musikwissenschafter an der Karl-Franzens-Universität Graz, geschildert (Michael Walter: „Oper – Geschichte einer Institution“, Verlag Metzler-Bärenreiter). Dabei geht es auch um Fakten und Hintergrundinformationen.

Nicht umsonst gehört die Oper seit vierhundert Jahren zu den stabilsten Kulturinstitutionen Europas: Weder Revolutionen noch Wirtschaftskrisen haben daran etwas geändert, im 19. Jahrhundert wurde sie schließlich zu einem internationalen Phänomen. Zur Institution Oper gehören jedoch nicht nur die Bühnenvorstellung und alles, was zu ihrer Organisation nötig ist, sondern auch die Sänger und nicht zuletzt das Publikum.

So kommen in diesem Buch das italienische Impresario-System, die fahrenden Schauspieltruppen, die die Stadttheater, die Hof- und Staatstheater ebenso in den Blick wie die Reisebedingungen und die Gagen der Sänger, die Eintrittspreise und die Logenhierarchie in der Oper.

Der Bogen spannt sich vom 17. Jahrhundert bis hin zu den Entwicklungen der Gegenwart. So kann man nachlesen, mit welchem Abendgage Opernweltstarts wie Robert Alagna rechnen können (S. 304).

Fragwürdig und gefeiert

Doch zur Geschichte der Oper gehören untrennbar auch Aufregung und Skandale: Generell zeichnet sich der Opernbetrieb des 18. und 19. Jahrhunderts vor allem in Europa und Amerika durch seine moralische Zweischneidigkeit aus – gut sichtbar am Beispiel der Sängerinnen und Sänger, heißt es: „Einerseits gingen sie einem ‚fragwürdigen‘ Beruf nach und landeten zu Disziplinierungszwecken auch öfter mal hinter Gittern. Genau so rasch wurden sie aber entlassen, wenn es galt, das Publikum zu begeistern“, so Buchautor Walter.

Der Opern-Experte betrachtet in seinem Buch Künstler und Claqueure, Reisebedingungen und Rechtsfragen, Gagen und Garderoben. Auch als Einrichtungen der Fürstenhöfe bzw. privatwirtschaftlich geführte Unternehmen werden die Opern betrachtet – von der Pariser Opéra über das Impresario-System Italiens bis zur Metropolitan Opera in den USA. Im Kapitel „Rechtsfragen“ wieder geht es um Theaterrecht und Zensur, Kontraktbruch und Volljährigkeit bei den Sängerinnen und Sängern.

Zum ersten Mal überhaupt werde auch ausführlich auf die schlechten Lebensbedingungen und Honorare der SängerInnen an kleineren Theatern eingegangen. Die „Stars“ der Szene erhielten dagegen stattliche Löhne, die den Vergleich mit heutigen Gagen nicht scheuen müssen. „Insgesamt sind die Gehälter der SängerInnen seit dem 18. Jahrhundert aber drastisch gesunken, selbst wenn man Inflation und steuerliche Abgaben berücksichtigt“, schildert der Musikwissenschafter.

Bezahlter Beifall hilft

Viel Geld wert waren die Dienste der Claqueure: Gut sichtbare, strategisch im Parterre positionierte Personen, die in ausgewählten Momenten begeistert applaudierten. „Der Chef de Claque an der Pariser Oper verdiente um 1850 rund 40.000 Francs im Jahr“, weiß Walter.

Gespart wurde dafür anderswo umso mehr: Weiße Kostümbestandteile wurden beispielsweise jahrelang nicht gewaschen, die Farbe kurzerhand mit Kreide wiederhergestellt, was zu einem entsprechenden Gestank in den Garderoben führte. Von alledem merkte das vornehme Publikum natürlich nichts: „Ein Besuch in einem noblen Opernhaus glich im 18. Jahrhundert einem heutigen Vergnügungspark: Man konnte nicht nur die Handlung auf der Bühne verfolgen, sondern nebenbei auch im Spielsalon sein Glück versuchen, Eis essen oder sich im Parterre stehend unterhalten – ein gesellschaftliches Sehen, Gesehen werden und Beobachten“, erklärt Walter.

Katastrophale Performance, köstliche Kulinarik

Doch nicht nur die großen Opernhäuser in Metropolen wie Paris oder Berlin hat sich der Musikwissenschafter angesehen. Auch die kleinen Stadttheater, von katastrophaler Aufführungspraxis gekennzeichnet, nimmt er unter die Lupe.

„In Graz spielte das Orchester während einer Aufführung von Gasparo Spontinis „Die Vestalin“ im Jahr 1818 so schlecht, dass die Primadonna Maria Anna Sessi den Takt von der Bühne aus angeben musste“, erzählt der Forscher. Wien war da schon ein viel heißeres Pflaster: „In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erhielten ausländische KünstlerInnen, darunter war auch der Komponist Gaetano Donizetti, ein Merkblatt, wie man sich in der Hauptstadt zu verhalten hatte“, schildert der Walter. Reisenden aus Italien wurde übrigens die Strecke über Laibach und Graz nach Wien empfohlen, weil das Essen sehr viel besser schmeckte als in Villach und Judenburg.

Link: Institut für Musikwissenschaft (Karl-Franzens-Universität Graz)

Link: Verlag Bärenreiter

 

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