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Business, Recht

Reform des Privatkonkurses beschlossen, Wirtschaft zittert

Wien. Österreichs Regierung hat heute die Reform des Privatkonkurses auf den Weg ins Parlament gebracht. Die Mindestquote von 10% fällt, die Zeit bis zur Entschuldung wird radikal gekürzt. Während die Wirtschaftskammer den Entwurf kritisiert, zeigt der KSV1870 ein Lächeln unter Tränen. 

Mit der Reform soll das bisherige Verfahren von sieben auf drei Jahre verkürzt werden, zudem wird die bisherige Mindestquote von 10% ersatzlos gestrichen. In Kraft treten soll das reformierte Schuldenregulierungsverfahren mit 1. Juli 2017.

Die Kritik der WKÖ

Beifall kommt von den Schuldnerberatungsstellen: Sie meinen, dass das bisherige Verfahren für viele überschuldete Menschen nicht leistbar war. Auch die Arbeiterkammer (AK) begrüßt die Reform: Die Betroffenen bekämen eine zweite Chance.

Die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) sieht die im Ministerrat beschlossene Privatinsolvenzreform kritisch: Berechtigte Interesse der Gläubiger werden außer Acht gelassen, heißt es. „In dieser Regierungsvorlage wurde auch die Reform des Privatinsolvenzrechts hineingepackt. Das ist insofern außergewöhnlich, als es zu gravierenden Änderungen kommen wird und durch diese Vorgehensweise keinerlei Begutachtungsverfahren durchgeführt wurde“, stellt WKÖ-Generalsekretärin Anna Maria Hochhauser fest.

Bei derart tiefgreifenden Änderungen zum Nachteil der österreichischen Wirtschaft sollte wie sonst auch ein solcher Gesetzesentwurf vorweg zur Begutachtung ausgeschickt werden, meint Hochhauser: „Die nunmehr durch die Bundesregierung an den Tag gelegte Eile ist unverständlich. Weder auf europäischer noch auf österreichischer Ebene besteht ein Zwang, eine Reform mit einem solchen Tempo durchzuführen.“

Wirtschaft zittert um 200 Mio. Euro

Fließen aus den Verfahren derzeit noch ca. 200 Mio. Euro pro Jahr an die Gläubiger, so zeigen internationale Erfahrungen, dass durch die nunmehrige Reform dieser Wert wesentlich geringer werden wird, befürchtet die Kammer. Mit den geplanten Änderungen müsse der Schuldner sich selbst überhaupt nicht mehr anstrengen, um das Privileg einer Restschuldbefreiung zu erlangen.

„Schon derzeit kommt es in ca. 92% aller Fälle zu einer Restschuldbefreiung. Das ist auch im internationalen Vergleich einen Spitzenwert“, so Hochhauser: Die Wirtschaft habe sich in den vergangenen Jahren immer kompromissbereit gezeigt. Der nunmehr beschrittene Weg sei „missbrauchsanfällig und bedeutet für die Gläubiger eine klare Schädigung.“

Die Gläubigerschützer sind milder

Besänftigt zeigt sich der bis jetzt äußerst kritische KSV1870: Er war sozusagen die Speerspitze seiner Branche im Streit um die Reform und hat ein eigenes Konzept vorgelegt. In dem nunmehr vorliegenden Entwurf erblickt der KSV einen „Etappensieg“, wie es heißt: Trotz der Bestrebung des Sozialministeriums bleibt der Zahlungsplan und seine Bedeutung als erstes Instrument der Schuldenregulierung bei Privatpersonen erhalten.

  • Laut Gesetzesvorlage ist es weiterhin die unbedingte Pflicht des Schuldners, seinen Gläubigern ein attraktives Entschuldungsangebot zu legen – entsprechend seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.
  • Wird dieses aber von den Gläubigern abgelehnt, dann kann infolge und wie bisher ein Abschöpfungsverfahren in Gang gesetzt werden.

Das Festhalten an diesem sogenannten Subsidiaritätsprinzip verhindere Missbrauch und schütze die Wirtschaft, so der KSV: „Wir sind froh, dass diese KSV1870 Forderung in den Gesetzesentwurf aufgenommen wurde und es zeigt, dass sich unser massiver Einsatz für die Gläubiger gelohnt hat. Selbstverständlich orten wir in vielen anderen Punkten nach wie vor Verbesserungsbedarf im Sinne unserer Mitglieder. Der Erhalt der Subsidiarität weist aber in die richtige Richtung“, meint Ricardo-José Vybiral, Geschäftsführer des Kreditschutzverband von 1870. „Wir sind bereit zum Dialog und unterstützen gerne, damit ein für die Wirtschaft tragfähiges und für die Schuldner sinnvolles Ergebnis herauskommt.“

Diskussionsbedarf hat der Leiter der KSV-Insolvenz, Hans-Georg Kantner, freilich ebenfalls bei den Rahmenbedingungen für das Abschöpfungsverfahren: Laut einer Befragung der ca. 23.000 Mitglieder des KSV1870 (d.h. der vertretenen Unternehmen) lehnen mehr als zwei Drittel der Teilnehmer die Streichung der Mindestquote sowie die Verkürzung der Entschuldungsdauer von heute sieben auf zukünftig drei Jahre ab.

„Diesen Unternehmen stehen wir in der Pflicht. Und wir werden jeden Tag bis zum geplanten Inkrafttreten am 1. Juli 2017 dafür nutzen, dass dieses unverständliche Vorhaben wirtschaftsverträglich wird und der ohnehin schon angespannte Solidaritätskonsens der Gesellschaft nicht über Gebühr beansprucht wird. Was jemand leisten kann, dass soll auch geleistet werden“, meint Kantner.

Die Sicht des Justizministers

Justizminister Wolfgang Brandstetter weist darauf hin, dass die Novelle für Unternehmer auch Vorteile bringe: Immerhin könnten sie selbst nach einer Pleite infolge rascherer Entschuldung leichter wieder in die Selbstständigkeit zurückkehren. Durch die Verkürzung der Frist im Abschöpfungsverfahren seien die Betroffenen weniger lang in ihrer Erwerbstätigkeit blockiert.

Von der rascheren Wiedereingliederung der Schuldner in die Erwerbstätigkeit – ob selbständig oder unselbständig – versprechen sich die Befürworter der Reform unterm Strich Vorteile für Gesellschaft und Wirtschaft.

Link: WKÖ (Rechtspolitik)

Link: KSV1870

Link: Justizministerium

 

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