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Business, Recht, Steuer

Gastbeitrag: Das Deregulierungsgesetz

Wolfgang Gabler ©HBHN

Wien. Der Nationalrat hat das sogenannte Deregulierungsgesetz beschlossen: Damit werden eine Serviceverbesserung für die Bürger, eine Entlastung der Unternehmen, eine Effizienzsteigerung der Verwaltung und der Ausbau des e-Governments angestrebt. Daneben sollen gesetzliche Verpflichtungen für Unternehmen und Bürger reduziert werden. Anwalt Wolfgang Gabler von Hule Bachmayr-Heyda Nordberg analysiert die neue Lage.

Wesentliche Inhalte des Gesetzes sind die Folgenden:

1. Recht auf elektronischen Verkehr mit Behörden

Durch das neu eingeführte Recht auf elektronischen Verkehr wird es Unternehmen und Bürgern freigestellt, auf welche Art und Weise sie mit Gerichten und Behörden kommunizieren. Durch dieses Recht bleiben aber die bestehenden Möglichkeiten, mit Gerichten und Behörden in Kontakt zu treten, unberührt.

Ausgenommen von diesem Recht sind Angelegenheiten, die faktisch nicht über den elektronischen Verkehr abgewickelt werden können, z.B. die Ausstellung von Reisepässen oder wenn ein persönliches Erscheinen, wie bei einer Zeugenaussage, erforderlich ist. Eine Akteneinsicht ist nur dann elektronisch möglich, wenn keine Akten in Papierform geführt werden.

Unternehmen sollen bis zum Jahr 2020 verpflichtet werden, elektronische Zustellungen entgegenzunehmen. Als Unternehmen im Sinne des Gesetzes gelten natürliche Personen (z.B. freie Dienstnehmer, freiberuflich Tätige), juristische Personen, Personengesellschaften, Personengemeinschaften und Personenvereinigungen mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz oder Geschäftsleitung im In- und Ausland, die Waren, Werk- und Dienstleistungen gegen Entgelt anbieten oder im Allgemeininteresse liegende Aufgaben erfüllen und Einkünfte erzielen.

Ausgenommen von dieser Verpflichtung sind Unternehmen, die nicht über die erforderlichen technischen Voraussetzungen oder keinen Internet-Anschluss verfügen und bis Ende 2019 auch solche, die noch nicht Teilnehmer des Unternehmensserviceportals sind und keine elektronischen Adressen haben.

Unternehmen können der Teilnahme an der elektronischen Zustellung widersprechen, jedoch verliert der Widerspruch mit 1.1.2020 seine Wirksamkeit. Über diesen Stichtag hinaus sind jedoch Unternehmen weiterhin ausgenommen, die wegen Unterschreitens der Umsatzgrenze nicht zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen (derzeit 30.000 Euro Vorjahresumsatz) verpflichtet sind.

2. Elektronische Zustellung

Nutzer einer elektronischen Zustellung erklären sich mit der Anmeldung bei einem elektronischen Zustelldienst bereit, Zustellstücke von Behörden auf elektronischem Wege zu erhalten. Aus diesem Grund soll bei elektronischen Zustelldiensten auf die dritte derzeitige postalische Verständigung mittels „gelbem Zettel“ verzichtet werden. Weiters wird der Erhalt von Zustellstücken ohne Zustellnachweis auch ohne Bürgerkarte möglich sein.

Die Zustellung soll aber dann als nicht bewirkt gelten, wenn eine Person von einer elektronischen Verständigung keine Kenntnis hat, z.B. bei technischen Gebrechen oder bei Ortsabwesenheiten, wenn keine Internetverbindung am Aufenthaltsort besteht, oder die Person zwar Kenntnis hat, aber während der Abholfrist von allen Abgabestellen nicht bloß vorübergehend abwesend ist. Die Zustellung wird jedoch an dem der Rückkehr an eine der Abgabestellen folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das Dokument elektronisch abgeholt werden könnte.

3. Wegfall der Auflage der Arbeitnehmerschutzbestimmungen im Unternehmen

Arbeitgeber sind derzeit verpflichtet, sämtliche Gesetze und Verordnungen betreffend den Arbeitnehmerschutz im Betrieb aufzulegen oder elektronisch zur Verfügung zu stellen. Bei jeder Änderung der Rechtslage führt dies selbstredend zu einem Aufwand für den Dienstgeber. Durch das Deregulierungsgesetz entfällt die Verpflichtung zur Auflage bzw. zur elektronischen Bereithaltung mit Ausnahme der Sonderregelungen für Personen, die Fahrtätigkeiten im Bereich des Straßentransportes ausüben.

4. Vollelektronische Gründung von Einzelunternehmen

Im Zuge der von der Bundesregierung angestrebten Ermöglichung der vollelektronischen Gründung von Einzelunternehmen soll die elektronische Erklärung der Inanspruchnahme der Begünstigungen des Neugründungs-Förderungsgesetzes (NeuFöG) über das Unternehmensserviceportal angeboten werden.

Möglichst alle mit der Gründung in Verbindung stehenden Behördengänge sollen über das Unternehmensserviceportal abgewickelt werden können, indem Informationen an Behörden übermittelt werden. Durch die gesetzlichen Maßnahmen will die Regierung im Unternehmensserviceportal ein „One-Stop-Shop“ für die vollelektronische Gründung in 80 % der Fälle ermöglichen.

5. Neugründung einer GmbH ohne Notar

Ziel ist auch eine Beschleunigung und Verbilligung der Gründung einer Standard-GmbH, wobei der Gesetzgeber hier die Ein-Personen-GmbH meint, bei welcher der einzige Gesellschafter zugleich einziger Geschäftsführer ist. Die Zielsetzung soll dadurch erreicht werden, dass in diesen „Standardfällen“ eine Gründung unter Verwendung elektronischer Kommunikationsmittel (insbesondere Bürgerkarte bzw. Handysignatur) möglich sein soll.

Nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage ist es vertretbar, dass bei dieser Form einer standardisierten GmbH-Gründung kein Notariatsakt errichtet wird und keine notarielle Beglaubigung des entsprechenden Antrages zum Firmenbuch erfolgen muss.

In diesem Zusammenhang wäre nämlich keine Beratung durch einen Notar erforderlich, weil sich hier keine Probleme bei der internen Willensbildung der Gesellschafter ergeben. Zudem sei der Gesellschafter, der zugleich auch Geschäftsführer der GmbH ist, keinen größeren Risiken ausgesetzt als der Einzelunternehmer.

Die vereinfacht zu gründende GmbH kann nur das gesetzliche Mindeststammkapital von 35.000 Euro haben, das zur Hälfte einzuzahlen ist. Der Gründer hat aber die Wahl, ob er die Privilegierung des § 10b GmbHG in Anspruch nehmen will, nach der innerhalb der ersten zehn Jahre des Bestehens der Gesellschaft diese lediglich eine Stammeinlage von mindestens 10.000 Euro haben muss.

Für die erforderliche Identifizierung des Gesellschafters soll das Kreditinstitut dienen, das die Bestätigung über die bar geleistete Stammeinlage ausstellt und nach bankrechtlichen Vorschriften ohnehin eine Personenfeststellung vornehmen muss. Kreditinstitute sind allerdings nicht verpflichtet, solche vereinfachten Gründungsvorgänge durchzuführen.

Dies bedeutet in der Praxis, dass der Gründer zunächst persönlich das Kreditinstitut aufzusuchen hat, um sich zu identifizieren und die Stammeinlage auf ein neu zu eröffnendes Konto einzahlen muss. Die Identifizierung hat auch dann zu erfolgen, wenn Gründer bereits Kunde bei der Bank ist. Zudem muss die Musterzeichnung vor dem Kreditinstitut abgegeben werden. Die Identifizierungsdaten, die Musterzeichnung und die Bankbestätigung werden vom Kreditinstitut an das Firmenbuch übermittelt. Für die Übermittlung muss der Gründer die Bank ausdrücklich und schriftlich vom Bankgeheimnis entbinden, andernfalls ist die vereinfachte Gründung nicht möglich.

Daraufhin muss sich der Gründer mit einem elektronischen Kommunikationsmittel selbst identifizieren, entweder über das Unternehmensserviceportal oder das Webportal der Justiz. Gleichzeitig kann der Gesellschafter die Erklärung über die Errichtung der Gesellschaft einreichen und einen Antrag auf Eintragung der Gesellschaft im Firmenbuch stellen.

Es kommt somit zu einer zweifachen Identifizierung des Gesellschafters, nämlich einmal physisch bei der Bank und einmal elektronisch in der Justiz-Applikation. Die Neuregelungen über die vereinfachte Gründung kommen auf Gesellschaften zur Anwendung, die nach dem 31.12.2017 zur Eintragung in das Firmenbuch angemeldet werden; gleichzeitig treten die Bestimmungen mit 31.12.2020 aber wieder außer Kraft („Sunset Clause“).

Bei der derzeit geltenden Form der Gründung der GmbH wird zusätzlich die Möglichkeit eingeführt, dass vor der Anmeldung der Gesellschaft das Stammkapital auf ein Anderkonto des Notars eingezahlt werden kann. Der Notar stellt diesfalls die Einzahlungsbestätigung gemäß § 10 Abs. 3 GmbHG aus. Nach erfolgter Eintragung im Firmenbuch leitet der Notar den Betrag an die Gesellschaft weiter.

Gleichzeitig soll durch die Änderung des Notariatstarifes ein zusätzlicher Anreiz für Gesellschaftsgründungen durch natürliche Personen geschaffen werden. Bei einer GmbH-Gründung von bis zu vier natürlichen Personen wird als Bemessungsgrundlage künftig die Hälfte des Stammkapitals dienen. Der derzeit geltende vergünstigte Notariatstarif für GmbH-Gründungen durch natürliche Personen hat zur Bedingung, dass die Gründung dem NeuFöG unterliegt und ein Entwurf der Errichtungserklärung vorliegt, der ohne inhaltliche Änderungen verwendet werden kann. Bei einer von einer natürlichen Person abgegebenen Errichtungserklärung gilt unter bestimmten Bedingungen ein gesetzlicher Bewertungssatz von 500 Euro.

Die Bindung an das NeuFöG soll zukünftig entfallen und der Gründer muss keinen schriftlichen Entwurf der Errichtungserklärung mehr erstellen. Der Gründer hat nun also die Wahl, ob er die GmbH selbst auf elektronischem Wege gründen möchte oder ob er die Dienstleistungen eines Notars zu einem reduzierten Tarif in Anspruch nehmen will.

Nicht anwendbar sind die Begünstigungen auf Vorgänge, die keine „Standardgründungen“ darstellen, beispielsweise wenn der einzige Gesellschafter nicht Geschäftsführer werden soll, wenn ein höheres Stammkapital vorgesehen ist oder auch bei Gründungen von Tochtergesellschaften juristischer Personen.

Aus den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage selbst geht hervor, dass befürchtet wird, dass es ohne eine professionelle Beratung der Gründer zu mehr Verbesserungsverfahren durch die Firmenbuchgerichte kommen wird, weil der gewählte Firmenwortlaut häufiger als bisher nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechen könnte.

Allein dadurch wird bereits klar, dass keineswegs sicher ist, ob die angestrebte Vereinfachung und Beschleunigung des Gründungsverfahrens in der Praxis tatsächlich eintreten wird. Überdies ist nicht gewiss, dass sich gerade der Neugründer ohne fachlichen Beistand an eine Errichtung einer GmbH wagen wird. Der Gründungsvorgang ist für eine Einzelperson zudem recht aufwendig gestaltet. Somit besteht die Gefahr, dass diese ohnedies zeitlich begrenzte Gründungsform zum Ladenhüter wird.

Autor DDr. Wolfgang Gabler, M.E.S., LL.M. ist Rechtsanwalt bei Hule Bachmayr-Heyda Nordberg Rechtsanwälte in Wien.

Link: Hule Bachmayr-Heyda Nordberg

 

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