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Vergaberecht: Öffentliche Aufträge werden umgebaut

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Wien. 334 Seiten stark ist das Gesetzespaket, das die Regierung dem Nationalrat zur Reform des Vergaberechts vorgelegt hat. Denn immerhin geht es um den über 45 Milliarden Euro großen Brocken der öffentlichen Aufträge. Neu sind Bestbieterprinzip, Pflicht zur elektronischen Vergabe und vieles mehr.

Mit dem Vergaberechtsreformgesetz 2017 soll nicht nur ein neues Bundesvergabegesetz erlassen werden, sondern auch ein neues Bundesgesetz über die Vergabe von Konzessionsverträgen und ein neues Bundesgesetz über die Regelung des Rechtsschutzes für Vergaben des Bundes im Öffentlichen Personenverkehr.

Außerdem wird das Bundesvergabegesetz für den Bereich Verteidigung und Sicherheit adaptiert, berichtet die Parlamentskorrespondenz. Hintergrund für das Paket sind neue EU-Vorgaben, Österreich ist bei der Umsetzung bereits säumig.

Der Inhalt

Ziel des Gesetzespakets sei es, den rechtlichen Rahmen für Auftragsvergaben der öffentlichen Hand zu vereinfachen und zu modernisieren. Ein Teil der einschlägigen neuen EU-Richtlinien wurde bereits 2016 umgesetzt, nun sollen die restlichen Vorgaben erfüllt werden.

Unter anderem geht es um die Einführung neuer Arten von Vergabeverfahren, die Ermöglichung gemeinsamer Auftragsvergaben österreichischer Behörden und Behörden anderer EU-Ländern sowie die Ausweitung des so genannten Bestbieterprinzips. Künftig sollen mehr Aufträge als bisher nach qualitativen Kriterien und nicht alleine nach dem Preis vergeben werden.

Wie bisher gilt das Bundesvergabegesetz nicht nur für Bund, Länder und Gemeinden, sondern auch für Auftragsvergaben in bestimmten Sektoren wie etwa der Wasser- und Energieversorgung und Teilen des öffentlichen Verkehrs.

Vergabeverfahren werden vereinfacht und flexibilisiert

Im Sinne der angestrebten Vereinfachung und Flexibilisierung von Vergabeverfahren werden die europarechtlichen Spielräume größtmöglich genutzt, wird in den Erläuterungen hervorgehoben.

So ist etwa vorgesehen, die Ausnahmebestimmungen zu erweitern, den Zugang zum Verhandlungsverfahren zu erleichtern, die Verpflichtung zur Durchführung einer formalen Angebotsöffnung mit Bieterbeteiligung zu streichen, mehr Flexibilität beim Abruf von Leistungen aus Rahmenvereinbarungen zu ermöglichen und die Mindestfristen für die Abgabe von Teilnahmeanträgen und Angeboten zu verkürzen.

Auch für Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich, für die es keine spezifischen EU-Vorgaben gibt, kommt es zu Vereinfachungen.

EuGH mahnt Transparenz auch bei kleinen Aufträgen ein

Der Schwellenwert für Direktvergaben ohne vorherige Bekanntmachung wird künftig mit 50.000 € (bisher 100.000 €) festgesetzt, wobei es weiterhin möglich sein wird, den Betrag mittels Verordnung des Bundeskanzlers hinaufzusetzen bzw. zu reduzieren. Das betrifft auch bestimmte andere Los- und Schwellenwerte.

Bei der Vergabe kleinerer Aufträge gilt es allerdings nicht nur die Vorgaben des Bundesvergabegesetzes zu berücksichtigen, sondern auch auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) Bedacht zu nehmen, wie in den Erläuterungen angemerkt wird. Demnach sind bestimmte Verpflichtungen wie das Gebot der Gleichbehandlung und der Transparenz im Falle eines grenzüberschreitenden Interesses auch bei wertmäßig nicht von den EU-Vergabe-Richtlinien umfassten Vergabeverfahren einzuhalten.

Faustregel laut Bundeskanzleramt: Je höher der Wert, je näher der Leistungs- und Nutzungsort an einer Staatsgrenze und je spezifischer der Auftragsgegenstand, desto eher muss von einem grenzüberschreitenden Interesse ausgegangen und ein angemessener Grad von Öffentlichkeit sichergestellt werden.

Bestbieterprinzip wird ausgeweitet

Ein wesentlicher Punkt der Novelle ist die weitere Forcierung des Bestbieterprinzips gegenüber dem Billigstbieterprinzip. Schon jetzt gilt, dass rein auf den Preis abstellende Ausschreibungen – ohne die Berücksichtigung von Folgekosten wie etwa Wartungskosten oder Lebenszykluskosten – nur bei Waren und Dienstleistungen mit hohen Standardisierungsgrad erlaubt sind.

Zudem ist bei bestimmten Vergaben wie Bauaufträgen über einer Million Euro oder der Beschaffung ausgewählter Lebensmittel wie Fleisch, Käse, Obst und Gemüse in jedem Fall verpflichtend, das technisch und wirtschaftlich günstigste Angebot zu wählen, wobei neben Kostenfaktoren etwa auch soziale Kriterien berücksichtigt werden können.

Diese Verpflichtung wird nun ausgeweitet und gleichzeitig ein neues Qualitätssicherungsmodell eingeführt, das den Auftraggebern die Möglichkeit eröffnet, Qualitätskriterien nicht nur im – laut Erläuterungen komplexen und anfechtungsgefährdeten – Bereich der Zuschlagskriterien festzulegen, sondern etwa auch bei der Leistungsbeschreibung, den Eignungskriterien oder den Ausführungsbedingungen.

Das neue Modell habe den Vorteil, dass die geforderten Qualitätskriterien – in Frage kommen soziale, ökologische und innovative Aspekte – vom Bieter in jedem Fall zu berücksichtigen sind und nicht durch ein besonderes Glänzen bei einem höher gewichteten Zuschlagskriterium, etwa einen besonders attraktiven Preis, umgangen werden können.

Als ein konkretes Beispiel einer Ausführungsbedingung wird in den Erläuterungen die verpflichtende Beschäftigung von Lehrlingen oder Langzeitarbeitslosen im Rahmen der Auftragsausführung genannt. Wie schon bisher muss jedenfalls aus der Ausschreibung klar hervorgehen, welche Leistungen gefordert sind und wie die einzelnen Zuschlagskriterien gewichtet werden.

Die Brennpunkte

Verpflichtend berücksichtigt werden müssen Qualitätskriterien künftig jedenfalls bei der Ausschreibung personenbezogener Dienstleistungen im Gesundheits- und Sozialbereich – genannt werden in diesem Zusammenhang etwa ärztliche und therapeutische Leistungen, Kinderbetreuung, Erwachsenenbildung, Altersfürsorge etc. –, bei der Ausschreibung von Gebäudereinigungs- und Bewachungsdienstleistungen, bei der Beschaffung von Lebensmitteln sowie bei Verkehrsdiensten im öffentlichen Straßenpersonenverkehr – z. B. bei Linienbussen, Rufbussen oder Anrufsammeltaxis –, wobei bei den unter das Gesetz fallenden Verkehrsdiensten, abweichend von der grundsätzlich freien Wahl der Qualitätsaspekte, zumindest ein soziales Kriterium zur Anwendung kommen muss.

Insgesamt kommen als Qualitätskriterium beispielsweise

  • Energieeffizienz
  • Abfallvermeidung
  • Bodenschutz
  • Tierschutz
  • die Beschäftigung bestimmter Gruppen wie ältere ArbeitnehmerInnen oder behinderte Menschen

in Frage. Im Bereich der Lebensmittelbeschaffung könnte es in diesem Sinn etwa ein Biogütezeichen sein.

Darüber hinaus ist das technisch und wirtschaftlich günstigste Angebot – abseits von Bauaufträgen mit einem geschätzten Auftragswert über einer Million Euro – auch bei Dienstleistungen, die im Verhandlungsverfahren vergeben werden, insbesondere bei geistigen Dienstleistungen, bei einer im Wesentlichen funktionalen Beschreibung der Leistung, bei einem wettbewerblichen Dialog sowie bei Auftragsvergaben im Wege einer so genannten Innovationspartnerschaft verpflichtend zu wählen.

Bei letztgenannter handelt es sich um ein neues Vergabemodell mit dem Ziel, eine innovative Ware, Bau- oder Dienstleistung zuerst zu entwickeln und diese dann zu erwerben. Generell gilt, dass die Konzeption und Durchführung eines Vergabeverfahrens nach Möglichkeit so erfolgen soll, dass auch kleine und mittlere Unternehmen daran teilnehmen können.

Begründet wird die Forcierung des „Bestangebotsprinzips“ nicht zuletzt damit, dass eine Fokussierung bei Auftragsvergaben allein auf den niedrigsten Preis als Zuschlagskriterium einen hohen Preisdruck erzeugt, der in letzter Konsequenz zu Lohn- und Sozialdumping führen kann.

Auch die weiteren Bestimmungen des geltenden Bundesvergabegesetzes, die sich gegen „schwarze Schafe“ unter den Unternehmen richten, wurden in diesem Sinn – teilweise adaptiert – in das neue Gesetz übernommen. Ausgeweitet wird etwa die Möglichkeit, Subvergaben zu beschränken.

Pflicht zu elektronischen Vergabeverfahren ab Oktober 2018

  • Neu ist auch die Verpflichtung der Auftraggeber zu elektronischen Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich ab Oktober 2018. Ab diesem Zeitpunkt müssen außerdem – im Sinne des Transparenzgedankens – die Ergebnisse aller einschlägigen Vergabeverfahren auf einer eigenen Plattform veröffentlicht werden. Das betrifft sowohl vergebene Aufträge als auch abgeschlossene Rahmenvereinbarungen und Ergebnisse von Ideenwettbewerben.
  • Ausnahmen sind nur in bestimmten Fällen vorgesehen, etwa wenn eine Veröffentlichung öffentlichem Interesse zuwiderläuft oder berechtigte geschäftliche Interessen eines Unternehmens geschädigt würden.

Die EU erwartet sich von der elektronischen Abwicklung von Vergabeverfahren nicht nur mehr Transparenz, sondern auch eine erhebliche Reduktion der Kosten. Das Einsparungspotential könne allerdings nur dann realisiert werden, wenn standardisierte Software-Lösungen auf breitester Basis eingesetzt werden bzw. die implementierten Lösungen untereinander kompatibel sind, mahnt das Bundeskanzleramt eine abgestimmte Vorgangsweise zwischen Bund und Ländern ein.

Die Erfahrung in Deutschland zeige, dass im Falle des Einsatzes unterschiedlicher Beschaffungssysteme hohe Kosten bei den Unternehmen drohen.

Eigenes Bundesgesetz für die Vergabe von Konzessionsverträgen

In einem eigenen Bundesgesetz wird, in Anlehnung an die Konzessionsvergabe-Richtlinie der EU, die Vergabe von Konzessionsverträgen geregelt. Diese haben in Österreich allerdings wenig Bedeutung, wie in den Erläuterungen vermerkt wird.

Anders als etwa Frankreich oder Großbritannien gibt es hierzulande kaum Privat-Public-Partnership-Modelle, die häufig mit Konzessionsvergaben einhergehen.

Bundesvergabegesetz gilt nicht mehr für Personenbeförderungen per Bahn und U-Bahn

Vom Geltungsbereich des Bundesvergabegesetzes ausdrücklich ausgenommen sind künftig Personenbeförderungsdienstleistungen auf der Schiene und auf U-Bahnen. Auch Konzessionsverträge im Bereich Bus und Straßenbahn sind vom neuen Vergaberegime nicht umfasst.

Österreich folgt damit der Regelungssystematik der EU-Richtlinien. Dadurch entsteht allerdings eine Rechtsschutzlücke, die für den Kompetenzbereich des Bundes durch ein eigenes Bundesgesetz (Bundesvergaberechtsschutzgesetz Öffentlicher Personenverkehr) geschlossen werden soll.

Im Wesentlichen geht es dabei um die Regelung des Verfahrens vor dem für zuständig erklärten Bundesverwaltungsgericht. Nicht unter das Gesetz fallen einschlägige Auftragsvergaben im Bereich der Länder und der Gemeinden, dafür braucht es eigene landesgesetzliche Bestimmungen.

EU hat bereits Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet

Welche Bedeutung Wettbewerb und Transparenz bei öffentlichen Auftragsvergaben haben, zeigen Daten der EU, die den Erläuterungen zum Gesetzentwurf zu entnehmen sind.

Demnach hat die EU-Kommission für 2015 ein Auftragsvolumen der öffentlichen Haushalte in Österreich für Bau-, Liefer- und Dienstleistungen – ohne Sektorenbeschaffung – von 45,2 Mrd. € errechnet. Das entspricht 13,3% des BIP.

Aufgrund der Säumigkeit bei der Umsetzung der EU-Richtlinien hat die Kommission bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eingeleitet. Werden die Gesetze nicht bald geändert, drohen Geldbußen.

Vergabepaket kann erst nach Zustimmung der Länder kundgemacht werden

Damit das neue Bundesvergabegesetz in Kraft treten kann, braucht es allerdings nicht nur die Zustimmung des Nationalrats, sondern auch jene der Länder. Sie waren in diesem Sinn auch in die Verhandlungen miteingebunden, wie in den Erläuterungen festgehalten wird. Evaluiert werden soll das Gesetzespaket im Jahr 2022.

Link: Parlament

 

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