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Bildung & Uni, Nova, Recht

WU arbeitet NS-Zeit auf: Ehrendoktorat widerrufen

Edeltraud Hanappi-Egger ©Klaus Vyhnalek

Hochschulen. Die Wirtschaftsuniversität Wien widerruft ein aus der NS-Zeit belastetes Ehrendoktorat und „kontextualisiert“ drei weitere. Verleihung wie Widerruf sollen dauerhaft im Gedächtnis der Institution bleiben.

2023 feiert die WU Wien 125 Jahre. Dies hat die Universität zum Anlass genommen, sich auch mit den problematischen Phasen der eigenen Geschichte zu beschäftigen. Zwar habe die Wirtschaftsuniversität Wien als eine der ersten österreichischen Hochschulen schon im Jahr 2010 mit der Aufarbeitung der eigenen NS-Geschichte begonnen, bei vergangenen Projekten wie der Provenienzforschung oder zur Vertreibung von Hochschulangehörigen während der NS-Zeit standen aber die Opfer – und weniger die Täter – im Vordergrund. So gibt es beispielsweise ein digitales Gedenkbuch.

Rektorin Edeltraud Hanappi-Egger habe nun den Blick auf die Rolle der WU sowie ihrer Vorgängerinstitution während und nach der NS-Zeit erweitert und die Überprüfung von akademischen Ehrungen an historisch belastete Personen angestoßen. In einem ersten Schritt haben Historiker*innen verliehene Ehrendoktorate kritisch untersucht. Die Ergebnisse wurden nun im Rahmen der Veranstaltung „Closed to Exclusion – Open for Inclusion“ vorgestellt: Der Titel des Ehrendoktors an Walther Kastner wurde widerrufen, drei weitere Ehrendoktorate wurden kontextualisiert.

Dazu hatte das Rektorat gemeinsam mit dem Senat mit einer wichtigen Satzungsänderung die rechtliche Möglichkeit geschaffen, akademische Ehrungen zu widerrufen, wenn sich dies u.a. aus Gründen des Ansehens der WU als erforderlich erweise.

Warum auf den Widerruf keine Löschung folgt

Zunächst hatte sich ein WU Historiker*innen-Team unter der Leitung von Johannes Koll im Rahmen eines Forschungsprojekts mit allen Ehrendoktoren beschäftigt, deren Biografien einen Bezug zum NS-Regime aufwiesen. Nachdem durch entsprechende Forschungen sieben problematische Fälle identifiziert worden waren, wurde in weiterer Folge eine externe Expert*innen-Kommission damit beauftragt, Empfehlungen für einen angemessenen Umgang mit diesen Ehrungen vorzulegen, heißt es weiter.

Auf Grundlage der gesammelten Ergebnisse und Empfehlungen haben Rektorat bzw. Senat der WU beschlossen, in vier Fällen Maßnahmen zu ergreifen: Der Titel des Ehrendoktors an Walther Kastner wurde widerrufen. Dieser Widerruf wurde entsprechend dokumentiert. Die Ehrung werde allerdings nicht aus dem Ehrenbuch der WU gelöscht, um Verleihung und Widerruf im historischen Gedächtnis der Institution zu erhalten. Weiters wurden Kontextualisierungen der Ehrendoktorate an Josef Hellauer, Erich Kosiol und Karl Friedlich Rößle vorgenommen. Diese Personen sind laut Historiker*innen als „Mitläufer“ einzustufen.

Zur Begründung des Widerrufs

Der Widerruf des Ehrendoktorates an Walther Kastner wurde vorgenommen, da er in seiner Funktion als langjähriger Direktor der Österreichischen Kontrollbank für Industrie und Handel mit der Zerschlagung und dem Verkauf von Unternehmen im Eigentum von Jüd*innen zu deren Ungunsten und zugunsten des Deutschen Reiches beauftragt war, schildert die WU.

Kastner war für alle Verträge im Rahmen des nationalsozialistischen Vermögensentzugs mitverantwortlich und somit an der systematischen „Arisierung“ von Wirtschaftsunternehmen in der „Ostmark“ maßgeblich beteiligt. Darüber hinaus war er Mitglied der NSDAP. Nach Kriegsende befasste er sich als Anwalt, Konsulent und hochrangiger Beamter mit Rückstellungen an Holocaust-Überlebende, seine Rolle als aktiver Entscheidungsträger des NS-Regimes hinterfragte er aber nie und distanzierte sich auch nicht davon.

Entscheidungen anhand neuer Erkenntnisse reflektieren

WU-Rektorin Edeltraud Hanappi-Egger: „Im Rahmen von Jubiläen muss ein differenzierter Blick auf die eigene Geschichte geworfen werden, vor allem auf Entscheidungen, die aus heutiger Sicht und in Zusammenhang mit den geänderten gesellschaftlichen Diskursen problematisch waren. Jede Institution sollte für das eigene Tun und Handeln Verantwortung übernehmen und ihre Beschlüsse entlang neuer Erkenntnisse der Gedächtniskulturforschung auch immer wieder reflektieren.“

Im Rahmen der Geschichtsaufarbeitung hat die WU 2010 das Projekt zur Provenienzforschung gestartet. Mittlerweile wurden über 70.000 Bücher untersucht und mehrere Restitutionen durchgeführt; weitere sollen folgen. 2012 startete die WU ein nach wie vor laufendes Forschungsprojekt, das jene Studierende identifiziert, die seit dem „Anschluss“ aufgrund ihrer jüdischen Abstammung oder ihrer Opposition zum NS-Regime daran gehindert wurden, ihr Studium aufzunehmen, fortzuführen oder ihren Abschluss zu machen.

Auch andere Formen nationalsozialistischer Diskriminierung wie die Aberkennung rechtmäßig erworbener akademischer Grade werden beforscht. Seit 2014 steht außerdem ein Mahnmal an zentraler Stelle am Campus WU. Dieses besteht aus den Namen der Opfer und ist so konzipiert, dass weitere hinzugefügt werden können. 31 Personen konnten mittlerweile zusätzlich identifiziert werden und wurden jetzt hinzugefügt, so die WU.

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