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Business, Recht

Schiedsverfahren: Wohin der Trend laut DLA Piper geht

David Bauer ©DLA Piper

Wien. Auf Schiedsverfahren (Arbitration) könnten in nicht allzu ferner Zukunft bedeutende Änderungen zukommen, so die DLA Piper-Experten David Christian Bauer und Theresa Trofaier: Umso wichtiger sei es für große Player, Gerichtsstand und Regeln vorausschauend auszuwählen.

Die mit Abstand größten Änderungen werden jene Schiedsgerichte betreffen, die über Streitigkeiten zwischen Investoren und Gastländern urteilen, sagt David Christian Bauer, Country Managing Partner von DLA Piper in Wien.

International und auf EU-Ebene

Zwei große Strömungen sind dabei derzeit festzustellen: Die Europäische Union versucht, einen speziellen Gerichtshof für Investorenansprüche aufzubauen, der den nationalen Instanzen übergeordnet sein soll. Und die UN-Organisation UNCITRAL befindet sich in ersten Sondierungen, ob eine Art weltweites System für Investitionsschutz aufgebaut werden könnte, wie Prof. János Martonyi, Präsident der United Nations Commission on International Trade Law (UNCITRAL) und ehemaliger ungarischer Außenminister, vor kurzem bei einem Seminar der Wirtschaftskanzlei DLA Piper in Wien festhielt.

Maria Theresa Trofaier ©DLA Piper

Diese Entwicklungen wurzeln nicht zuletzt in einem aktuellen Trend der Tagespolitik: In der politischen Diskussion wird häufig die Kritik geäußert, dass in Schiedsgerichtsverfahren die Investoren gegenüber nationalen Streitparteien bevorzugt seien. So werfen Gegner dem derzeitigen System des Investorenschutzes via Schiedsverfahren vor, mit den betreffenden Schiedsgerichten quasi eine den nationalen Gerichten nebengeordnete oder sogar übergeordnete Sondergerichtsbarkeit für Konzerne eingeführt zu haben. Unterstellt wird, dass diese dadurch in eine bevorzugte Position geraten.

Die andere Sicht der Dinge

„In der Praxis sind die Investoren aber durchaus nicht einer bevorzugten Position“, sagt Expertin Maria Theresa Trofaier, Senior Of Counsel bei DLA Piper Wien. Laut Statistiken liegt der Anteil der von den Investoren gewonnenen Schiedsverfahren bei unter 60 Prozent, Sieg und Niederlage halten sich also beinahe die Waage. Das Bild des übermächtigen Investors entstamme einer verzerrten Wahrnehmung. Zudem tragen die Investoren oft hohe Risiken, heißt es weiter.

Noch einen Aspekt hob Prof. Martonyi bei seinem Vortrag in Wien hervor: Letztendlich gehe es immer um Schutz, wenn ausländische Investoren in einem anderen Land tätig werden, insbesondere wenn ihr Verhandlungspartner der betreffende Staat ist. In früheren Jahrhunderten wurde der eigene Souverän, also das Heimatland, um Beistand ersucht, wenn das Gastland seine Verträge nicht einhielt. Die Folge war freilich, dass Handelsstreitigkeiten so rasch zu internationalen politischen Auseinandersetzungen ausarten konnten, manchmal auch militärischer Natur.

Heute sind die Schiedsgerichte als neutrale Instanz zwischengeschaltet. „Das System, das wir haben, ist nicht perfekt, aber es funktioniert“, so Martonyi bei der Veranstaltung in Wien: Ein Verzicht auf Schiedsgerichte beim Investitionsschutz könne daher kaum der richtige Weg sein, und eine Verbesserung sei immerhin derzeit Gegenstand von Sondierungen – auch wenn es noch viel zu früh sei, um Aussagen über die Erfolgschancen oder die Ergebnisse zu treffen.

Wie man sich jetzt vorbereiten kann

Was Praktiker dabei natürlich vor allem interessiert, sind die Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben. Wer heute in einem anderen Staat ein großes Projekt wie etwa ein Kraftwerk realisieren will, der hat es schließlich mit einem Jahre oder gar Jahrzehnte umfassenden Zeitraum zu tun – viel Zeit also für unvorhergesehene Streitfälle.

Das von der EU derzeit favorisierte Konzept eines Investitionsgerichtshofes ist umstritten, zumal die Richter von den Staaten bestellt werden und daher die derzeitige Unabhängigkeit in den Investorenschiedsverfahren bedroht erscheint. Auf Ebene der UNCITRAL werden daher auf globaler Basis alternative Lösungen diskutiert, welche etwa von der Einführung einer internationalen Berufungsinstanz bis zur weitgehenden Beibehaltung des derzeitigen Systems reichen könnten. „Der Versuch der UNCITRAL, eine neue Lösung für Investitionsschutzverfahren einfzuführen, wird wohl in den nächsten 20 Jahren nicht Realität werden“, meint DLA Piper Of Counsel Trofaier.

Wesentlich kokreter ist der Vorstoß der EU, ein neues System des Investitionsschutzes aufzusetzen, das vor allem bei Handelsabkommen große Bedeutung gewinnen könnte und bereits Teil der Handelsabkommen z.B. mit Kanada (CETA) und Vietnam ist. Ein Richterkollegium aus EU- und Nicht-EU-Richtern soll dabei unter dem Vorsitz eines Nicht-EU-Richters tagen.

Die Frage ist hier allerdings, ob man nicht letzendlich den Investorenschutz von den Trade Agreements lösen wird, so die DLA Piper-Experten: Ist dieses Thema erst einmal vom Tisch, könnten die eigentlichen Handelsabkommen schneller abgeschlossen werden, und über die Schiedsverfahren könnte dann in einer zweiten Runde verhandelt werden, lautet die Überlegung, die derzeit viele Anhänger in der EU hat.

Ist die EU mächtiger als nationale Gerichte?

Abgesehen von dieser rein praktischen Frage tun sich aber auch juristische Probleme auf. Die größte Frage lautet, ob die EU überhaupt die Mitgliedsstaaten dazu zwingen kann, einem solchen neuen EU-Investitionsgerichtshof zuliebe einen Teil ihrer staatlichen Souveränität – nämlich konkret im Gerichtswesen – aufzugeben.

Ein erster EuGH-Entscheid spricht eher dagegen: Er sieht eine geteilte Zuständigkeit der EU sowie der Mitgliedsstaaten und nicht das Primat der Europäischen Union. Diese Frage ist also spannnend – und brisant, zumal die bilateralen Handelsabkommen zwischen Mitgliedstaaten von der EU kritisch gesehen werden, da sie in Konflikt mit dem einheitlichen Binnenmarkt stehen könnten, so David Christian Bauer.

Für Investoren sind die aktuellen Trends zu einer Neustrukturierung der Schiedsgerichte sicherlich mit Unwägbarkeiten verbunden, so Trofaier. Andererseits sieht sie generell den Trend, dass sich die Rechtssysteme der EU-Staaten immer mehr angleichen. Eine wichtige Empfehlung lautet daher, der Entwicklung zu folgen und auch international die Trends in den für den Investor wichtigen Rechtsgebieten zu verfolgen.

So gibt es beispielsweise einen europaweiten Trend zu strengeren Umweltgesetzen. In der Vergangenheit hätte  ein Auslandsinvestor durchaus die in einem bestimmten Land gegen ihn verhängten Sanktionen wegen der Umweltvorschriften als Benachteiligung des Wettbewerbs ansehen können; heute wird er sie wohl vom eigenen Land her bereits gewohnt sein.

Der richtige Sitz ist entscheidend

Der zweite wichtige Punkt ist der Sitz der Investmentgesellschaft. Gute bilaterale Investitionsschutzabkommen (Bilateral Investment Treaty, BIT) sollten auch in Zukunft noch Geltung haben, sagt Trofaier. Garantieren könne dies freilich niemand – aber vermutlich werden die neuen Spielregeln, wie sie die EU einführen will, erst pro futuro gelten. Je spezifischer dabei ein BIT und je neuer es ist, desto besser ist es für den Investor, lautet eine Faustregel. Es komme aber auch auf die Branche und weitere Faktoren an.

Nicht vertrauen sollte man übrigens darauf, als österreichischer Investor durch ein BIT mit einem anderen Land geschützt zu sein. So hat beispielsweise nur ein Drittel der EU-Staaten mit den USA ein solches Abkommen geschlossen – und Österreich gehört nicht dazu.

Das Wettrennen um den Seat

Die Parteien in einem Schiedsverfahren unterschätzen häufig die Bedeutung des Schiedsorts („Seat“) – bestimmt er doch nicht nur die anzuwendenden Regeln (wenn nichts anderes ausgemacht wird), sondern vor allem auch das nationale Recht und die Gerichte, die für Schiedsverfahren vor Ort zuständig sind, warnen die DLA Piper-Experten.

London beispielsweise sei durch den Trend des High Court, sich in Schiedsverfahren einzumischen, in letzter Zeit kein sehr empfehlenswerter Standort. Die Beteiligten an einem Schiedsverfahren wollen ja eben nicht vor ein nationales Gericht – umso frustrierender sei dann eine solche Entwicklung. „Die Wahl des Schiedsplatzes ist wirklich wichtig, auch im Hinblick auf den bevorstehenden Brexit“, warnt Trofaier. Das sollten gerade EU-Länder bei Geschäften mit britischen Partnern bedenken.

Wenn es doch ein anderer Sitz sein soll

Wenn die Parteien mit dem einmal gewählten Standort ihres Schiedsgerichtsverfahrens unzufrieden sind, dann ist das übrigens nicht unbedingt ein Fiasko: Der Seat kann wie auch die übrigen Bestandteile der Vereinbarung nachträglich geändert werden – selbst wenn die Parteien bereits im Streit liegen. Vorausgesetzt natürlich, sie können sich noch auf einen Wechsel des Schiedsortes einigen.

Heute wetteifert eine Reihe von Standorten um die Unternehmen. Ein international bedeutsamer Standort ist beispielsweise die Schweiz, die für ihr effizientes Regelsystem bekannt ist. Wien hat als Seat in den letzten Jahren in den Augen der DLA Piper-Experten an Attraktivität gewonnen. War Wien früher vor allem in Zeiten der Ostöffnung wichtig – und danach als Schiedsgerichtsstandort weniger bedeutsam – so hat eine Reform Zivilprozessordnung vor einigen Jahren für mehr Tempo gesorgt.

Das Ergebnis war ein schlankeres, effizientes System nach Schweizer Vorbild, in dem es keinen langen Instanzenzug mehr gibt, sondern nur noch der Oberste Gerichtshof (OGH) für Streitigkeiten zur Aufhebung eines Schiedsspruchs zuständig ist, lobt Trofaier. Bauer kritisiert allerdings, dass die Gerichtsgebühren dabei 5% des Streitwerts betragen, und das ohne Deckelung.

Eher unüblich sei es dagegen für europäische Unternehmen, die USA als Schiedsstandort zu wählen. Dort schreckt die Europäer nämlich das ungewohnte Rechtssystem, inbesondere das „Discovery“-Prinzip – wonach es vor Gericht möglich ist, den Gegner zur Vorlage beinahe aller sachdienlicher Dokumente zum Streitfall zu zwingen. Was sachdienlich ist, wird dabei oft sehr breit ausgelegt.

Das Arbeitsfeld der Anwälte

Für die Wirtschaftsanwälte selbst sind Schiedsgerichtsverfahren sowohl ein Klassiker wie ein Zukunftsfeld. Gelernt wird es am besten von der Pike auf, heißt es: Nach Absolvierung der entsprechenden Kurse muss die angehende Spezialistin oder der angehende Spezialist dann beispielsweise ein Verfahren nach den Regeln der Internationalen Handelskammer (ICC), ein Aufhebungsverfahren usw. an der Seite eines erfahrenen Anwalts erleben, um mit der Praxis vertraut zu werden.

DLA Piper selbst habe weltweit die größte Litigation & Regulatory-Praxisgruppe (hier ist Arbitration, also Schiedsverfahren, inkludiert). „Bei uns sind internationale Schiedsfälle besonders stark verbreitet, daher ist die Expertise entsprechend groß“, sagt Bauer. Geht es um Themen, mit denen ein Büro weniger Erfahrung hat, ist entsprechendes Know-how in der Gruppe vorhanden und es werde international an den Causen gearbeitet.

Für Anwälte in kleineren Kanzleien sieht Bauer neben der Parteienvertretung auch die Tätigkeit als Schiedsrichter als attraktiv an: „Mitglieder von Großkanzleien stoßen hier schnell an die Grenzen der Befangenheitsregeln, die die Schiedsgerichte zu Recht streng handhaben.“

Link: DLA Piper

Link: UNCITRAL

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