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Business, Motor, Recht

BGH-Urteil gegen VW: „Rückenwind für Österreicher“

Karlsruhe/Wien. Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) hat heute in einer lang erwarteten Entscheidung zum Diesel-Abgasskandal einem geprellten Autokäufer gegen VW recht gegeben.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat VW wegen des Einbaus illegaler Abschalteinrichtungen in Dieselfahrzeugen verurteilt (Az.: VI ZR 252/19). Der Konzern muss das manipulierte Fahrzeug des Klägers zurücknehmen und diesem dafür eine Entschädigung in Höhe von 28.257,74 Euro zahlen, freut sich Anwalt und Kanzleiinhaber Claus Goldenstein, der rund 21.000 Mandanten im Abgasskandal vertritt.

„Ein Urteil mit Signalwirkung“

Goldenstein wirbt nun öffentlich um weitere Mandanten aus Österreich, deren Risiken bei Klagen gegen VW in Deutschland stark gesunken seien: „Von nun an werden die Richter der Auffassung des BGH auch bei österreichischen Klägern folgen und die Entschädigungszahlung gemäß des Urteils gewähren müssen. Die Klagen werden entsprechend schnell von Erfolg gekrönt sein.” Dagegen werde ein entsprechendes Urteil des Höchstgerichts in Österreich noch lange nicht vorliegen, meint Goldenstein.

Auch der Verbraucherschutzverein (VSV) in Österreich sieht sich jetzt im Vorteil: ”VW wollte diese Leitentscheidung lange verhindern, doch nun ist klar, dass man mit Schadenersatzklagen in Deutschland erfolgreich sein wird,” so VSV-Obmann Peter Kolba, früher Rechtschef des Vereins für Konsumenteninformation (VKI): “Wir bieten Geschädigten kosten- und risikolose individuelle Klagen in Deutschland an. Ein Prozessfinanzierer übernimmt das Kostenrisiko gegen eine Erfolgsquote von 35 Prozent. Man kann da einige tausend Euro Schadenersatz erlangen.” Der VSV vermittle aber auch Klagen gegen andere einschlägig aufgefallene Autokonzerne. Es räche sich nun, dass VW den Österreichern und Südtirolern im Rahmen der Musterfeststellungsklage keinen Vergleich angeboten habe.

Oliver Jaindl, Obmann der österreichischen Sammelklagen-Plattform Cobin Claims, will morgen seine Sicht des VW-Urteils im Detail verkünden: Cobin Claims hat im Rahmen der Sammelklagen-Aktion „diesel-klage.at“ laut den Angaben rund 5.700 österreichische Konsumenten und (Klein-)Unternehmen um sich geschart, die Ansprüche bezüglich rund 6.700 Autos ins Feld führen.

Wie das Urteil wirken könnte

Die BGH-Entscheidung betreffe zwar unmittelbar nur den klagenden Kunden, hat aber für noch laufende zehntausende Gerichtsverfahren in Deutschland Signalwirkung, heißt es beim Prozessfinanzierer Omni Bridgeway (früher ROLAND-ProzessFinanz AG), der auf der Seite des VKI in Österreich steht: In der Regel folgen die Instanzgerichte der Rechtsprechung der obersten deutschen Zivilrichter. Die Omni Bridgeway AG finanziert in Deutschland rund einhundert Klagen von Kunden gegen Volkswagen und unterstütze mehr als 10.000 VW Käufer in Österreich in Zusammenarbeit mit dem VKI.

Omni Bridgeway-Vorstand Arndt Eversberg hält zu dem Urteil fest: „Der Bundesgerichtshof stärkt zehntausenden Autokäufern den Rücken, die Volkswagen mit der illegalen Abschalteinrichtung betrogen hat. In Kürze stehen weitere Entscheidungen des höchsten deutschen Gerichts an, welche die rechtliche Beurteilung des Dieselskandals fortsetzen werden.“

Nach der Abwicklung der Vergleiche aufgrund der Musterfeststellungsklage werde es jetzt Zeit für VW, auch die Einzelklagen schnell zu vergleichen, so der Vorstand des Prozessfinanzierers: „Der Schlingerkurs muss ein Ende haben, im Sinne der Betroffenen wie auch eines Neuanfangs für den Autokonzern.“

Gemäß der Entscheidung haben Käufer des „Schummelfahrzeugs“ eine starke Position, so Eversberg weiter: „Während die Verbraucher, die ihre Rechte im Musterfeststellungsverfahren geltend gemacht haben, maximal zwischen 1.350 und 6.257 Euro Schadensersatz ausbezahlt bekommen, erhalten die Einzelkläger den kompletten Kaufpreis erstattet und können das Schummelfahrzeug zurückgeben. Sie müssen sich allerdings den Nutzungsvorteil bis dahin anrechnen lassen.“

Die Karlsruher Entscheidung stärke nicht nur deutschen Dieselkäufern den Rücken, sondern werde auch VW-Kunden aus ganz Europa dazu animieren, den Konzern in Deutschland zu verklagen.

Die Entscheidung im Detail

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall erwarb der Kunde am 10. Jänner 2014 von einem Autohändler einen Gebrauchtwagen VW Sharan 2.0 TDl match zu einem Preis von 31.490,- € brutto, der mit einem 2,0-Liter Dieselmotor des Typs EA 189, Schadstoffnorm Euro 5 ausgestattet ist. Der Kilometerstand bei Erwerb betrug 20.000 km. Der Käufer hat im Februar 2017 ein Software-Update durchführen lassen, nachdem sich herausstellte, dass in diesem Motortyp eine unzulässige Abschalteinrichtung installiert war. Mit seiner Klage gegen Volkswagen verlangte der Kunde im Wesentlichen die Zahlung des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises in Höhe von 31.490 € nebst Zinsen gegen Rückgabe des Fahrzeugs.

Der BGH hat Volkswagen zur Schadensersatzzahlung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung des Kunden verurteilt und damit das Urteil der Vorinstanz weitgehend bestätigt. Dieser muss sich allerdings eine Nutzungsentschädigung wegen Gebrauchsvorteils anrechnen lassen, weil er das Fahrzeug über fünf Jahre genutzt hat. Dabei geht der Bundesgerichtshof wie die Vorinstanz von einer durchschnittlichen Gesamtlaufleistung von 300.000 Kilometern aus. Der Gebrauchsvorteil errechnet sich nach dem Bruttokaufpreis multipliziert mit den gefahrenen Kilometern dividiert durch die erwartete Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt.

Volkswagen hatte im September 2015 zugegeben, in weltweit elf Millionen Fahrzeugen eine illegale Software eingesetzt zu haben. In Deutschland betroffen waren mehr als zwei Millionen Kunden. Anhängig seien in Deutschland noch rund 68.000 Klagen.

 

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