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Gastbeitrag: Neues Gewährleistungsrecht bringt Update-Pflicht

Karin Zippusch-Knoll ©Jarolim

Digitalisierung. Das neue Gewährleistungsrecht bringt eine Pflicht zu Updates, längere Gewährleistungsfristen und mehr. Unternehmen müssen umdenken, warnen Karin Zippusch-Knoll und Julia Steier von Kanzlei Jarolim in ihrem Gastbeitrag.

Anfang Juli beschloss der Nationalrat die Regierungsvorlage des Gewährleistungsrichtlinien-Umsetzungsgesetz (kurz „GRUG“). Damit wurden sowohl die EU-Warenkauf-RL 2019/771 als auch die EU-Digitale-Inhalte-Richtlinie 2019/770 in nationales Recht umgesetzt.

Neben Änderungen im KSchG und ABGB wird auch das neue Verbrauchergewährleistungsgesetz („VGG“) eingeführt. Die neue Rechtslage tritt ab dem 1.1.2022 in Kraft und ist auf alle ab diesem Tag neu abgeschlossenen Verträge anwendbar. Welche Änderungen bringt diese Reform nun für das Gewährleistungsrecht?

Aktualisierungspflicht und digitale Inhalte

Kernstück des Gesetzespakets sind die neuen Gewährleistungsregeln des VGG. Anzuwenden sind diese auf Verbrauchergeschäfte über den Kauf von Waren (dh beweglichen körperlichen Sachen), einschließlich solcher, die noch herzustellen sind, sowie über die Bereitstellung digitaler Leistungen (Inhalte und Dienstleistungen) gegen Zahlung oder Überlassung von personenbezogenen Daten.

Vom Anwendungsbereich ausgenommen sind unter anderem Gesundheits-, Finanz- und Glücksspieldienstleistungen sowie bestimmte elektronische Kommunikationsdienste.

Für Unternehmen bringt das VGG zahlreiche Änderungen und weitreichende Haftungen. Neu ist etwa die Aktualisierungspflicht gemäß § 7 VGG, welche auch ausnahmsweise im B2B-Bereich schlagend wird. Diese sieht vor, dass für Waren mit digitalen Elementen und Inhalten jene Updates kostenlos zur Verfügung zu stellen sind, die erforderlich sind, damit der Leistungsgegenstand weiterhin, also während des Aktualisierungszeitraums, dem Vertrag entspricht. Demnach reicht die Aktualisierungspflicht über das klassische Gewährleistungsrecht hinaus, das eine Haftung nur für bei Übergabe bestehende Mängel vorsieht.

Beim Aktualisierungszeitraum ist zudem zwischen fortlaufenden Verträgen und der einmaligen Bereitstellung der digitalen Leistung zu unterscheiden.

  • Bei fortlaufenden Verträgen besteht die Aktualisierungspflicht über die gesamte Dauer der Bereitstellung, zumindest jedoch für 2 Jahre nach dem Übergabezeitpunkt.
  • Bei einmaliger Bereitstellung ist sie hingegen für einen vernünftigerweise erwartbaren Zeitraum geschuldet.

Wird eine solche Aktualisierung nicht oder nicht kostenlos zur Verfügung gestellt, hat dies zur Folge, dass dies als Mangel einzustufen ist, für welchen der Unternehmer wiederum gewährleistungsrechtlich haftet.

Neuerungen der Fristen

Neu ist auch, dass das VGG eine verlängerte Vermutungsfrist vorsieht. Gemäß § 924 ABGB galt für Mängel, die innerhalb von sechs Monaten nach der Übergabe auftraten, dass diese bereits zum Zeitpunkt der Übergabe vorhanden waren. Im Gewährleistungsregime des VGG wird diese Frist zu Gunsten des Verbrauchers auf ein Jahr ausgedehnt.

Bei der fortlaufenden Bereitstellung von digitalen Leistungen geht das VGG sogar noch einen Schritt weiter. Hier hat der Unternehmer die Beweislast dafür zu tragen, dass die digitale Leistung während des gesamten Bereitstellungszeitraums dem Vertrag entsprochen hat.

Die bislang bestehenden Gewährleistungsfristen bleiben im VGG hingegen grundsätzlich unverändert aufrecht (bewegliche Sache und digitale Leistungen: zwei Jahre, unbewegliche Sachen: drei Jahre). Für die Bereitstellung digitaler Leistungen gilt es jedoch zu differenzieren: Bei einer einmaligen Bereitstellung gilt die zweijährige Gewährleistungsfrist, wohingegen der Unternehmer bei der fortlaufenden Bereitstellung für die gesamte Dauer der Bereitstellung Gewähr für die Mängelfreiheit zu leisten hat. Dadurch kann sich eine längere Gewährleistungsfrist ergeben.

Neu ist weiters, dass nach Ablauf der Gewährleistungsfrist eine zusätzliche Verjährungsfrist von drei Monaten vorgesehen ist, innerhalb welcher der Mangel gerichtlich geltend gemacht werden kann.

Das Fazit

Das GRUG bringt zahlreiche Neuerungen mit sich, welche in der Praxis noch Fragen aufwerfen werden. Ein Konfliktthema im Einzelfall könnte etwa sein, ob ein bestimmtes Vertragsverhältnis dem Gewährleistungsrecht des VGG oder jenem des ABGB unterliegt. Die Abgrenzung ist – wie aufgezeigt – entscheidend, schafft das VGG doch einen weitreichenderen Haftungspool für Unternehmen.

Im Zeitalter der Digitalisierung ist es zwar nachvollziehbar, auch digitale Leistungen einem gewährleistungsrechtlichen Haftungsregime zu unterwerfen. Ob die in § 7 VGG enthaltene Aktualisierungspflicht jedoch in diesem Ausmaß ein angemessenes Instrumentarium ist, ist fraglich. Denn zweifelsohne stellt diese Unternehmen vor große Herausforderungen, die mit einem enormen und – teilweise auch – unverhältnismäßigen Mehraufwand verbunden sein kann.

Unternehmen kann nur angeraten werden, frühzeitig vor Inkrafttreten des GRUG vorzusorgen, indem sie ihre Geschäftsbedingungen und Vertragsmuster an die neue Rechtslage anpassen.

Die Autorinnen

Mag. Karin Zippusch-Knoll ist Of Counsel und Mag. Julia Steier Konzipientin bei Jarolim Partner Rechtsanwälte.

 

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