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Business, Politik, Recht

„Grassierende Korruption und Angriffe auf Rechtsstaat“

©Parlamentsdirektion / Johannes Zinner

Skandale und Reformen. Angesichts „grassierender Korruption, fragwürdiger politischer Kultur und Angriffe auf den Rechtsstaat“ in Österreich fordert das Antikorruptionsvolksbegehren (knapp 308.000 Unterschriften) Veränderungen: Nun wurde darüber im Parlament diskutiert.

Zum Rechtsstaat & Antikorruptionsvolksbegehren gab es jetzt eine kontroverse Debatte im Nationalrat, berichtet die Parlamentskorrespondenz: Angesichts „grassierender Korruption, fragwürdiger politischer Kultur und Angriffe auf den Rechtsstaat“ in Österreich sahen sich die namhaften Initiator*innen mit dem „Rechtsstaat & Antikorruptionsvolksbegehren“ in der Pflicht, „die Stimme zu erheben“.

Mit ihren 307.629 Eintragungen standen die Forderungen jetzt im Nationalrat in einer Ersten Lesung zur Debatte. Kontrovers wurden im Plenum vor allem die Themen Weisungsrecht und Bundesstaatsanwaltschaft sowie Vorgänge im Untersuchungsausschuss debattiert. Der Vorsitzende, Dritter Nationalratspräsident Norbert Hofer, wies das Volksbegehren am Schluss der Debatte planmäßig dem Justizausschuss zur weiteren Beratung zu.

Die Auseinandersetzungen

Einige der Forderungen des Volksbegehrens seien bereits umgesetzt, verwies Christian Stocker ebenso wie Corinna Scharzenberger (beide ÖVP) etwa auf die Parteienfinanzierung. Bei allen berechtigten und zu diskutierenden Anliegen erachte er die Ausführung einiger Empfehlungen des Volksbegehrens allerdings als überschießend, etwa betreffend die WKStA, so Stocker. Dass sich die Justiz demnach selbst kontrollieren soll, entspreche nicht dem Verfassungs- und Demokratieverständnis. Nichts abgewinnen könne er etwa einem Ansatz, für den geforderten Bundesstaatsanwalt die Kontrolle aus dem Parlament abzuziehen.

Auch Agnes Sirkka Prammer (Grüne) hob hervor, dass sich viele der Forderungen im Koalitionsabkommen wiederfinden würden und bereits so viele Maßnahmen wie schon lange nicht mehr umgesetzt worden seien. Sie begrüße die Forderungen des Volksbegehrens ausdrücklich. Bei der diskutierten Neuregelung der Weisungsspitze der Staatsanwaltschaften gehe es darum, dass diese unabhängig von der Politik werden soll, zugleich aber die hohe Kontrolle gewahrt bleibe.

Jörg Leichtfried (SPÖ) stellte sich ebenso wie Selma Yildirim (SPÖ) hinter das Volksbegehren. Es habe Vorgänge in der Republik gegeben, bezog Leichtfried sich auf „Chats“, wonach öffentliche Gelder wahrscheinlich zweck- und rechtswidrig verwendet worden seien. Bürger*innen haben das Recht auf Anstand und Integrität in der Politik, auf saubere und transparente Verwaltung und darauf, dass alle dieselben Rechte haben, so Leichtfried.

Scharzenberger seitens der ÖVP und Yildirim seitens der SPÖ kritisierten wechselseitig die jeweils andere Fraktion vehement für einige Vorgänge im Untersuchungsausschuss. Yildirim warf der ÖVP außerdem vor, maßgeblich daran schuld zu sein, dass Österreich keine liberale, sondern nur mehr eine Wahldemokratie sei. Es brauche hier eine Einsicht und unter anderem auch eine Diskussion über einen Bundesstaatsanwalt, so Yildirim. Scharzenberger wies ihrerseits auf den Aspekt hin, dass mediale Vorverurteilung zu Vertrauensverlust in Justiz und Politik führe. Sie pochte auf ein Bekenntnis zur Rechtsstaatlichkeit, um Fehlverhalten aufzuklären, aber „mit Anstand und maßvoll“.

„Die Kontrolle nicht verlieren“

Das Volksbegehren habe die Intention, das desaströse Bild, das die Politik in Österreich abgebe, zu beenden, meinte Philipp Schrangl (FPÖ). Was einen Bundesstaatsanwalt betrifft, der „nicht mehr politisch kontrolliert werden möchte“, sehe er keine Möglichkeit dafür. Man dürfe hier diese Kontrolle nicht verlieren, dass Bürger*innen die Abgeordneten und diese die Justizministerin befragen können, so Schrangl.

Betreffend eine Weisungsspitze der Staatsanwaltschaften rief Johannes Margreiter (Neos) dazu auf, die vorliegenden Ergebnisse der Arbeitsgruppe umzusetzen. Die Weisungsspitze müsse einerseits unabhängig sein, andererseits müsse Kontrolle ausgeübt werden können. Die Ideen des Volksbegehrens seien aus seiner Sicht zu unterstützen. Ein Engagement für den Rechtsstaat und gegen korrupte Unterwanderung bezeichnete Margreiter als eine Art selbstverständliche „Morgensportübung für trainierte Demokraten“. Korruptem Verhalten gelte es, entschieden entgegenzutreten.

Umfassende Forderungen für den Rechtsstaat

Mit den 72 Vorschlägen des „Rechtsstaat & Antikorruptionsvolksbegehrens“ sprechen sich Bürger*innen für Reformen zu Anstand und Integrität in der Politik, zur Stärkung des Rechtsstaats und der Unabhängigkeit der Justiz bzw. der Ermittlungs- und Kontrollbehörden, für eine umfassende Antikorruptions- und Transparenz-Gesetzgebung sowie für Pressefreiheit, Medienförderung und gegen Inseratenkorruption aus. Österreich habe seit Jahrzehnten ein unübersehbares und strukturelles Problem mit Korruption, so die Stoßrichtung. Das Land laufe damit zunehmend Gefahr, zu einem rechtsstaatlichen Außenseiter Europas zu werden.

So sind beispielsweise volle Prüfkompetenzen hinsichtlich der Parteienfinanzierung für den Rechnungshof in den umfassenden Forderungen ebenso enthalten wie eine Stärkung für das Parlament in seiner Funktion als Gesetzgeber und Kontrollorgan. Um mehr Transparenz geht es dem Volksbegehren unter anderem bei Stellenbesetzungen beim Bund, wonach insbesondere Vorgänge in Richtung „Parteibuch-Wirtschaft“ sanktioniert werden sollten.

Die Lehren aus Ibiza

Die Initiator*innen fordern unter anderem auch Nachschärfungen im Hinblick auf die Vorfälle rund um das „Ibiza-Video“ etwa durch Verankerung von Kandidat*innenbestechung und -bestechlichkeit sowie „Mandatskauf“ als Delikte im Korruptionsstrafrecht.

Abzulehnen sei im Bereich der Justiz etwa das angedachte Institut der „dissenting opinion“, da es lediglich zu einer Verpolitisierung der Höchstgerichte, im Speziellen des VfGH, führen würde. Insbesondere der WKStA sei verfassungsgesetzlich die Unabhängigkeit einzuräumen sowie die Staatsanwaltschaften durch die Einführung einer Bundesstaatsanwaltschaft vom Justizministerium zu entkoppeln. Die Forderungen zielen unter anderem auch auf unabhängige und transparente Ernennungsverfahren bei Richter*innen und Staatsanwält*innen und auf einen „Rat der Gerichtsbarkeit“ ab.

Inseratenkorruption, politische Abhängigkeiten und (partei)politischer Druck auf Medien seien Gift für Demokratie und Rechtsstaat, so die weitere Stoßrichtung. Daher brauche es eine Objektivierung der Medienförderung und Inseratenvergabe durch öffentliche Stellen, insbesondere nach Qualitätskriterien. Weitere Forderungen betreffen unter anderem die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, etwa durch eine Entpolitisierung des Stiftungsrats.

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