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Bildung & Uni, Tech

Rekorde bei der Tiefsee-Bohrung mit der Uni Innsbruck

Forschungsschiff Kaimei ©JAMSTEC

Japan-Tiefseegraben. Eine internationale Expedition mit Innsbrucker Geologen entnahm Bohrproben aus 8.000 Metern Rekord-Wassertiefe. Die Erkenntnisse werfen ein neues Licht auf Methan-Speicher im Meeresboden.

Im Rahmen einer internationalen Tiefsee-Expedition entnahm ein Forscher:innen-Team unter der Co-Leitung des Innsbrucker Geologen Michael Strasser 2021 im Japangraben die tiefsten je gewonnenen Proben aus dem Meeresboden in mehr als 8.000 Meter Wassertiefe. Dabei wurden große Mengen an gelöstem Kohlenstoff und enorme Methan-Speicher im Meeresboden entdeckt, deren Entstehung durch die dortige starke Erdbeben-Aktivität begünstigt wird, so die Uni Innsbruck. Die neuesten Erkenntnisse dazu wurden nun in Nature Communications veröffentlicht (s.u.).

Die Unterwelt ab 6.000 Meter Tiefe

Tiefseerinnen der so genannten Hadalzone (von griechisch „Hades“ für „Unterwelt“) bilden die tiefsten Bereiche des Meeresbodens ab etwa 6.000 Meter unter dem Meeresspiegel und zählen zu den am wenigsten erforschten Orten der Erde. Ein internationales Forscher:innen-Team unter der Co-Leitung von Prof. Michael Strasser vom Institut für Geologie der Universität Innsbruck hat im Rahmen der Expedition 386 „Japan Trench Paleoseismology„ des International Ocean Discovery Program (IODP) vor zwei Jahren systematisch Proben aus dem Meeresboden entlang des 7 bis 8 Kilometer tiefen Japangraben entnommen.

Bohrkerne aus der Tiefsee © ECORD / IODP / JAMSTEC

Die ersten wissenschaftlichen Resultate dieser Expedition liefern Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen Erdbeben und neu entdeckten Prozessabläufen eines dynamischen Kohlenstoffkreislaufs tief unter dem Meeresboden, so die Forschenden.

Neue Rekorde bei Tiefsee-Bohrung

Die Expedition wurde mit dem japanischen Forschungsschiff Kaimei durchgeführt: Das rund 100 m lange Schiff ist mit verschiedenen Spezialgeräten für seismische Untersuchungen ausgerüstet und kann neben 27 Besatzungsmitgliedern 38 Forscher:innen an Bord nehmen. Mit einem so genannten „Giant Piston Corer“ – einem seilgeführten, sehr großen Kolbenlot – entnahm die Kaimei an 15 Stellen entlang des 500 Kilometer langen Japangrabens Sedimentproben aus bis zu knapp 38 Meter tiefen Bohrlöchern. Insgesamt konnten 832 Bohrkernmeter analysiert werden, so die Uni Innsbruck.

„Diese bisher einzigartige flächendeckende wissenschaftliche Probenahme in Wassertiefen zwischen 7.445 bis 8.023 Meter unter dem Meeresspiegel bricht gleich zwei neue Rekorde in der über 50-jährigen Geschichte des wissenschaftlichen Tiefseebohrprogramms“, so Michael Strasser: „Wir haben die tiefste Wasserstelle in einer Wassertiefe von 8.023 Metern erbohrt und eine Meeresbodenprobe aus einer Rekordtiefe von 8.060,74 Metern entnehmen können.“

Durchbruch bei geochemischen Porenwasser-Analysen

Systematisch beprobt wurde auch das Porenwasser der Tiefseesedimente. Mittels hochauflösenden organisch-geochemischen Analysen am gelösten Kohlenstoff sei Prof. Rui Bao von der Ocean University of China und seinem Team ein Durchbruch gelungen: Die Ergebnisse zeigen, dass große Mengen an labilem, gelöstem Kohlenstoff im Sedimentporenwasser gespeichert seien.

Die Speicherung von gelöstem Kohlenstoff deutet auf eine aktive Remineralisierung von organischem Kohlenstoff in den Tiefseegräben hin, die viel größer ist als in anderen bisher bekannten Tiefseeumgebungen des offenen Ozeans. Mit Hilfe von Radiokarbon-Datierungsmethoden konnte die Alterung und Akkumulation des gelösten organischen und anorganischen Kohlenstoffs im Meeresboden zum ersten Mal quantifiziert werden.

„Diese gelösten Kohlenstofffraktionen können große Auswirkungen auf mikrobiell-gesteuerte Prozesse des Kohlenstoffkreislaufs im Tiefseeboden haben und auf den langfristigen globalen Kohlenstoffkreislauf einwirken, da sie Kohlenstoff in den Tiefseerinnen und schlussendlich in der Subduktionszone vergraben können“, so Mengfan Chu, Doktorandin an der Ocean University of China und Erstautorin der Studie.

Enorme Methan-Speicher

Ergebnisse der an den Bohrkernen durchgeführte Sediment- und Gasphasen-Analytik stützen diese Hypothesen. In Sedimenten entlang des gesamten Japangrabens wurden während der Expedition riesige Methanspeicher gefunden, die auf eine intensive mikrobielle Methan-Bildung hinweisen. Diese Methanentstehung werde durch die wiederkehrenden, großen Erdbeben entlang der Subduktionszone verstärkt.

Das Team entdeckte darüber hinaus Spuren von im Sediment kristallisierten hydratisierten Karbonaten, die auf eine aktive Umwandlung von Kohlenstoff zwischen seinen verschiedenen Formen (sedimentär, gelöst, gasförmig und mineralisch) hindeuten und implizieren, dass der Japangraben einen dynamischen Kohlenstoffkreislauf beherbergt, der die Erdoberfläche und das tiefere Erdinnere entlang der Subduktionszone miteinander verbindet.

Durch die erhöhte Zufuhr von organischem Kohlenstoff und durch dynamische Einwirkung auf die physikalischen und chemischen Eigenschaften der Sedimentablagerungen, wirken Erdbeben somit als starker Motor des Kohlenstoffkreislaufs in Tiefseerinnen und für den Stoffwechsel der sogenannten Tiefen-Biosphäre in diesen extremen Ökosystemen. „Diese Entdeckungen sind ein überzeugender Beweis dafür, dass in den Tiefseerinnen der Hadalzone keine ruhigen oder konstanten Umweltbedingungen herrschen, wie bisher angenommen wurde“, erklärt Rui Bao.

Erbebenforschung und Kohlenstoffkreislauf

„Die während der Expedition durchgeführten Standard-Analysen und Altersdatierungen der Sedimentbohrkerne zeigen, dass wir vergangene Erdbebenprozesse und deren Auswirkungen auf die hadale Zone bis mindestens 24.000 Jahre in die Vergangenheit im Detail erforschen können“, betont Michael Strasser. 36 Wissenschaftler:innen mit Fachkenntnissen in verschiedenen geowissenschaftlichen Disziplinen aus Österreich, Australien, China, Finnland, Frankreich, Deutschland, Indien, Japan, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten werten die Expeditionsdaten weiter aus.

Weitere Analysen sollen etwa Erdbeben-Wiederholungsmuster für eine zuverlässige Gefährdungsbeurteilung charakterisieren und das Wissen über den dynamischen Kohlenstoffkreislauf unter dem Meeresgrund der Japanischen Tiefseerinne weiter verbessern. Implikationen auf den globalen Kohlenstoffkreislauf will das internationale und interdisziplinäre Team künftig konkreter definieren können.

Expedition und Publikation

Die Expedition wurde vom European Consortium for Ocean Research Drilling (ECORD) in Zusammenarbeit mit dem Institute for Marine-Earth Exploration and Engineering (MarE3) / Japan Agency for Marine-Earth Science and Technology (JAMSTEC) im Rahmen des International Ocean Discovery Program (IODP) durchgeführt. Das IODP ist ein internationales Meeresforschungsprogramm, das derzeit 23 Länder umfasst. Die Trägerorganisation der österreichischen Mitgliedschaft bei ECORD bzw. IODP ist die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

Die Publikation: Chu, M., Bao, R., Strasser, M., Ikehara, K., Everest, J., Maeda, L., Hochmuth, K., Xu, L., McNichol, A., Bellanova, P., Rasbury, T., Kölling, M., Riedinger, N., Johnson, J., Luo, M., März, C., Straub, S., Jitsuno, K., Brunet, M., Cai, Z., Cattaneo, A., Hsiung, K., Ishizawa, T., Itaki, T., Kanamatsu, T., Keep, M., Kioka, A., McHugh, C., Micallef, A., Pandey, D., Proust, J. N., Satoguchi, Y., Sawyer, D., Seibert, C., Silver, M., Virtasalo, J., Wang, Y., Wu, T. W., Zellers, S. (2023), „Earthquake-enhanced dissolved carbon cycles in ultra-deep ocean sediments.“ (Nature Communications).

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