Finanzbranche. Die Weiterempfehlungsbereitschaft bei Bankkunden sinkt, Versicherungen bleiben dagegen stabil, hieß es jetzt bei der Verleihung des FMVÖ-Recommender-Award 2022.
Nach zwei Jahren wurden die FMVÖ-Recommender-Awards am Mittwochabend im ThirtyFive am Wienerberg wieder vor Publikum verliehen. Bei der 16. FMVÖ-Recommender-Gala wurden die Sieger der Recommender-Awards in sechs Kategorien gekürt:
- Heuer erhielten Erste Bank, N26, Tiroler Sparkasse sowie Grawe, D.A.S. Rechtsschutz und VLV Vorarlberger Landesversicherung die Trophäe für Weiterempfehlungsbereitschaft als Sieger in ihrer jeweiligen Sparte.
- Weiters wurden fünf Sonderpreise vergeben, erstmals darunter die neue Kategorie „Bestes Kundenservice“, die von der Wiener Städtischen gewonnen wurde.
Im Bild: Die Gewinner und Sonderpreisträger des FMVÖ-Recommender-Awards 2022. Hintere Reihe v.l.n.r.: Erich Mayer (FMVÖ), Peter Tiefenthaler (Tiroler Sparkasse), Fabian Stenzel (Erste Bank der österreichischen Sparkassen), Christian Strobl (N26), Gerald Hasler (Wüstenrot Versicherung), Mathias Bösch (Vorarlberger Landes-Versicherung), Georg Schneider (GRAWE), Gregor Pilgram (Generali Versicherung), Robert Sobotka (Telemark Marketing). Vordere Reihe v.l.n.r.: Christian Walter (D.A.S. Rechtsschutz), Christoph Pongratz (D.A.S. Rechtsschutz), Manfred Bartalszky (Wiener Städtische)
Vor und nach der Pandemie
Wie Verbandspräsident Erich Mayer bei seiner Eröffnungsrede betonte, habe der FMVÖ das Motto der Veranstaltung mit Bedacht gewählt: „Bereits in den letzten Jahren haben wir im Rahmen der Recommender-Verleihungen das Thema ‚Wert‘ aufgegriffen – ‚Der Wert der Verantwortung‘ vor zwei Jahren und ‚Der Wert der Veränderung‘ 2021. „Durch die Pandemie ist es zu signifikanten Änderungen im Kundenverhalten gekommen, daher war es die logische Folge, ‚Der Wert des Kunden‘ zum diesjährigen Thema zu machen. Das veränderte Kundenverhalten wurde vor allem durch die Pandemie ausgelöst, in der Keynote des Abends wird dieser Umstand auch detailliert analysiert. “
In seiner Keynote „(Post-? )Corona-Consumer – Wie sich das Konsumverhalten durch die Gesundheitskrise ändert” erläuterte Professor Dieter Scharitzer (WU Wien), wie Unternehmen die Pandemie-bedingten Veränderungen auf Kundenseite zu ihrem Vorteil nutzen können. Denn bereits jetzt, nach zwei Jahren sei zu erkennen, dass es kein „zurück zur Normalität“ geben werde: „Was haben wir in der Pandemie verloren? Persönlichen Kontakt und Nähe, Sicherheitsgefühl und Vertrauen – Faktoren, die nicht mehr selbstverständlich scheinen.“
Wir leben jetzt online
Dafür seien laut Scharitzer andere Entwicklungen gekommen, um zu bleiben: E-Commerce und Home-Office gehören zum Alltag und die Digitalisierung ist noch rascher fortgeschritten: „Wir gehen nicht mehr online, wir leben online. Gerade Banken und Versicherungen als Dienstleister dürfen aber nicht vergessen: Menschen lieben Menschen! Trotz digitaler Kommunikation und Social Distancing werden auch künftig Service, Nähe und Beziehung zum Kunden von Bedeutung und ein wesentlicher Profilierungsfaktor bleiben – das zeigt auch der diesjährige FMVÖ-Recommender!“
Gewinner und Verlierer der Pandemie
Die Ergebnisse der diesjährigen Kundenbefragung für den FMVÖ-Recommender-Award durch Telemark Marketing spiegelten wider, wie unterschiedlich die Kunden von Österreichs Banken und Versicherungen die Betreuung in Pandemiezeiten durch ihre Institute wahrgenommen haben, heißt es. „Besonders hervorzuheben ist, dass die Versicherungen es deutlich besser geschafft haben, die Weiterempfehlungsbereitschaft ihrer Kunden aufrechtzuerhalten. Der Branchendurchschnitt bei den Versicherungen ist gegenüber dem Vorjahr um lediglich einen Prozentpunkt auf einem NPS-Wert von 16 zurückgegangen. Der Branchen-NPS der Banken sackte hingegen sehr deutlich von einem NPS-Wert von 21 auf 16 ab, sodass Banken und Versicherungen nun erstmals in der 16-jährigen Geschichte des FMVÖ-Recommender gleichauf liegen“, betonte Studienleiter Robert Sobotka von Telemark Marketing bei der Präsentation der diesjährigen Ergebnisse.
„Wir dürfen gespannt sein, ob es den Banken im kommenden Jahr wieder gelingen wird, sich von den Versicherungen abzusetzen oder ob der diesjährige Trend von Dauer sein wird “, so Sobotka. Die etwas geringere Weiterempfehlungsbereitschaft auf Kundenseite zeigte sich auch anhand der leicht gesunkenen Anzahl an Gütesiegel-Empfängern. Konnten im Vorjahr 26 Unternehmen eines der drei Gütesiegel für sehr gute, hervorragende und exzellente Kundenbetreuung entgegennehmen, so waren es in diesem Jahr 23 Institute.
Seriensieger und Newcomer
Bei den Preisträgern der FMVÖ-Recommender-Awards 2022 gab es auch in diesem Jahr Überraschungen, da gegenüber 2021 teils große Veränderungen verzeichnet werden konnten, so die Veranstalter. Bei den Großbanken tauschten der Erst- und Zweitplatzierte die Plätze: Die Erste Bank konnte sich vom Vorjahressieger Raiffeisenlandesbank Oberösterreich sehr deutlich absetzen und unangefochten den ersten Platz holen. In der Kategorie der Direkt- und Spezialbanken behauptete sich hingegen der Vorjahressieger N26 bei seinem zweiten Antreten erneut und erzielte als eines von zwei Instituten ein exzellentes Gütesiegel. Ebenfalls ein exzellentes Gütesiegel und den ersten Platz mit deutlichem Abstand erreichte die Tiroler Sparkasse bei den Regionalbanken, während es um den 2. Platz ein enges Rennen und letztendlich eine ex aequo-Platzierung von Raiffeisenlandesbank Vorarlberg und Sparkasse Salzburg gab.
Bei den bundesweiten Versicherungen gewann erneut Seriensieger Grawe und holte damit zum zehnten Mal in Folge den Recommender-Award in die steirische Landeshauptstadt. Ähnlich wie bei den Regionalbanken lagen auch die Platzierten bei den Regionalversicherungen wieder knapp beisammen: Als Recommender-Award Gewinner konnte sich der Vorjahresdritte VLV Vorarlberger Landesversicherung durchsetzen. Mit einem Sprung von null auf Platz 1 ging bei den Direkt- und Spezialversicherungen nicht nur die D.A.S. als Sieger hervor – mit dem höchsten Zuwachs unter allen Instituten qualifizierte sich das Unternehmen auch für den Sonderpreis „Aufsteiger des Jahres“.
Die Sonderpreise
Neue Gewinner gab es auch bei den weiteren Sonderpreisen, die um die Kategorie „Bestes Kundenservice“ erweitert wurden und erstmals einen Sieg für die Wiener Städtische brachte. Den Sonderpreis für „Bestes Schadensmanagement“ erhielt die Wüstenrot. Das Gütesiegel für die „Bank mit der besten Kundenberatung“ ging in diesem Jahr an die Erste Bank, als „Versicherung mit der besten Kundenberatung“ konnte die Generali punkten.
Wie der „Wert des Kunden“ erhalten bleibt
Im Rahmen von Experteninterviews sprachen Jens Baumgarten und Christoph Stegmeier, Senior Partner bei Simon-Kucher & Partners, darüber, dass Banken und Versicherer den Kundenwert aktiv managen und ihre Strategien und Prozesse konsequent darauf ausrichten müssen: „Erfolgskritisch sind dabei unter anderem eine wertorientierte Segmentierung, differenzierte Angebote und Preise sowie optimierte Customer Journeys – insbesondere für sogenannte ‚Magic Moments‘.“ Bei Digitalen Banken stehen Kunde und Customer Experience quasi per Definition im Mittelpunkt des Angebots. Dies allerdings in positiven Kundenwert, also Customer Lifetime Value, umzumünzen, sei bisher nur wenigen Anbietern gelungen.
Jürgen Leitner, Partner bei der EFS Unternehmensberatung, ging darauf ein, wie mit einem Integrierten Managementsystem Mehrwert erzielt werden könne, wodurch der „Wert des Kunden“ erhalten bleibe: „In einem Dickicht an Managementsystemen und Reporting-Pflichten laufen wir Gefahr, den Blick für das Wesentliche – den Kunden – zu verlieren. Integrierte Managementsysteme ermöglichen, Synergien zu nutzen und wertvolle Ressourcen wieder für kundenzentriertes Arbeiten ‚frei‘ zu machen.“
Pavel Horáček, Digital Transformation Executive für den Financial Services Sector bei Fujitsu Technology Solutions, sprach über innovative Lösungen, mit denen das Unternehmen Finanzinstitute bei der Ansprache ihrer Kunden unterstützen könne. So habe man mit dem Digital Annealer eine Vorstufe eines Quantencomputers auf den Markt gebracht.
Thomas Kralinger, CEO Mediaprint und Kurier Medienhaus, blickte auf die bereits vierjährige Medienpartnerschaft mit dem FMVÖ zurück und ging darauf ein, wie sich die Finanzbranche durch die Pandemie aus Sicht des Kurier verändert hat und wie beim Medienhaus Kundenorientierung gelebt wird. Wie bereits in den vergangenen Jahren wurde bei der Gala ein Spendenscheck an die Österreichische Krebshilfe Wien überreicht, der heuer von Eva Estermann, Relationship-Management & Public Relations, entgegengenommen wurde.