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Bildung & Uni, Tech

Neue Materialien: Eis wie im Weltall durch Methode der Uni Innsbruck

Christina Tonauer ©Theresa Nairz

Materialwissenschaft. Die Uni Innsbruck entwickelt Methoden, um Atome von „frustriertem“ Eis zu ordnen. Das Ergebnis ist Eis, wie es sonst nur im Weltall, im Erdinneren oder auf Jupitermonden vorkommt.

Forscher:innen der Universität Innsbruck entwickeln Methoden, um die Wasserstoffatome von „frustriertem“ Eis zu ordnen. Dadurch können im Labor Eisformen erzeugt werden, wie sie im Weltall, im Inneren des Erdmantels oder in der Eisschicht der Jupiter- und Saturnmonde zu finden sind, heißt es in einer Aussendung ihrer Uni. Von großer Bedeutung sei dies etwa für verschiedene praktische Anwendungen der Materialwissenschaft.

Irdisches Eis ist meist unordentlich

Die Moleküle in Kristallen sind nach einem bestimmten Muster geordnet, das sich prinzipiell bis ins Unendliche fortführen lässt. Bei Schnee und Eis gilt diese Regel jedoch nur für die Sauerstoff-Atome. Die Wasserstoffatome hingegen sind ungeordnet, zeigen in eine beliebige Richtung des Raums. Das ist wichtig für die mechanischen und elektrischen Eigenschaften eines Eiskristalls, zum Beispiel seine Beweglichkeit. Berggletscher fließen nur wegen der ungeordneten Struktur der Wasserstoffatome.

„Diese Eigenschaften ändern sich allerdings, sobald die Wasserstoffatome sich ordnen und nur in eine Richtung zeigen“, erklärt Thomas Lörting, assoziierter Professor am Institut für Physikalische Chemie der Universität Innsbruck: „Das Eis wird spröde, isoliert elektrische Ladungen. Und wird zu einer ganz anderen Eisform.“

In einer neuen Veröffentlichung im Journal PNAS Nexus haben Lörting und Christina M. Tonauer, Hauptautorin der Studie, welche als Teil ihrer Doktorarbeit in Lörtings Arbeitsgruppe entstand, neue Strategien entwickelt, um solche Eisformen unter Laborbedingungen herzustellen (Christina M. Tonauer, Elisabet Hauschild, Silvia Eisendle, Violeta Fuentes-Landetea, Keishiro Yamashita, Lars Hoffmann, Roland Böhmer, Thomas Loerting, „Strategies to obtain highly ordered deuterated ices presented on the example of ice XIV“).

Die Forschung fand im Rahmen der Forschungsplattform Material- und Nanowissenschaften an der Universität Innsbruck statt, die ab 01.01.2024 als Forschungsschwerpunkt Funktionelle Materialwissenschaften fortgesetzt wird, so die Uni.

Bei minus 200 °C im Labor

Zwanzig verschiedene Eisformen sind bisher bekannt. Eis I, auch hexagonales Eis genannt, ist die Bezeichnung für gewöhnlichen Schnee bzw. Eis auf der Erdoberfläche. Andere Formen, wie Eis VI oder Eis VII, benötigen viel höheren Druck um zu entstehen und kommen im Erdmantel vor. Dass sie dort nicht schmelzen, liegt an der dichtgepackten Molekülstruktur, die Temperaturen bis 600 Grad aushalten kann.

Auch im Weltall sind bisher 13 verschiedene Arten von Eis nachgewiesen worden, beispielsweise im Inneren der Eisgiganten Uranus und Neptun oder auf den Eismonden von Jupiter und Saturn, deren Oberflächen von kilometerdicken Eisschichten überzogen sind. Auf der Erde könnte solches Eis theoretisch existieren, dafür müssten ihre Eispanzer allerdings viel tiefer sein, um den entsprechenden Druck zu erzeugen- das Doppelte der maximal sechs Kilometer tiefen Eisschichten der Antarktis wäre notwendig, um Eis I in Eis II umzuwandeln.

„Um neue Eisformen im Labor entstehen zu lassen, sind zunächst sehr niedrige Temperaturen von ungefähr -200 °C nötig“, erklärt Christina M. Tonauer. „Das Problem ist aber, dass bei dieser Kälte die Wasserstoffatome sich zwar ordnen wollen, aber dafür viel zu langsam sind.“ Daher nennen die Wissenschafter:innen solche Eiskristalle „frustriert“. Noch langsamer sind die schwereren Deuterium-Atome. Wenn die Wasserstoffatome (H) durch den schweren Wasserstoff Deuterium (D) ersetzt werden, entstehe sogenanntes „schweres Wasser“ (D2O). „Die Herstellung von Eisformen aus diesem schweren Wasser ist jedoch notwendig, um Eisstrukturen besser zu verstehen. Wir mussten also Strategien entwickeln, um die Atome trotz der niedrigen Temperaturen in Bewegung zu halten“, so Tonauer.

Strategien für mehr Ordnung

Die erste Methode sieht vor, Eis unter Druck zu setzen. Bei 8.000 Bar – das ist etwa das Achtfache des Drucks am Grund des Marianengrabens, der tiefsten Stelle des Weltmeeres – werden die Wassermoleküle praktisch gezwungen, sich zu bewegen. Dieser Vorgang dauert nicht länger als einen Tag.

Eine zweite Methode beinhaltet die Zugabe eines „Doping-Mittels“ zu schwerem Wasser. Dazu werden kleine Mengen von H-Atomen beigemischt, die leichter, schneller und somit mobiler sind und daher als „Doping-Mittel“ für das schwerere D2O-Eis wirken. Zudem werden kleine Mengen an Säure hinzugegeben, wodurch absichtlich Löcher in der Kristallstruktur erzeugt werden, die den Atomen mehr Platz zum Umordnen verschaffen. Durch diese beiden Formen des Dopings wird der Übergang eines frustrierten Kristalls in einen geordneten Kristall bis zu 100.000-fach beschleunigt und spielt sich in Stunden ab statt über Jahre.

Diese Methode wurde mit einer für sieben Jahre unter flüssigem Stickstoff gelagerten „ungedopten“ Eisprobe verglichen, welche Christina M. Tonauer von einer Vorgängerin übernahm. Über die Jahre hatte das Eis in dieser Probe sich von selbst geordnet. Diese Beobachtung lege nahe, das Eis sich im Weltraum über große Zeiträume hinweg ordnet. Die Erforschung von solchen geordneten Eiskristallen im Labor erfordere also entweder jahrelange Geduld oder aber den Einsatz der hier neu entwickelten Herstellungsstrategien.

Geordnetes Eis für die Zukunft

Obwohl diese Strategien anhand von Eis XIV entwickelt wurden, lassen sie sich auch für die anderen bekannten Eisformen anwenden, so die Uni Innsbruck. Außerdem eröffnen sie die Möglichkeit, noch weitere Eisformen zu entdecken. Nach aktuellem Forschungsstand wird vermutet, dass insgesamt 56 Eisformen existieren könnten. „Das würde heißen, dass noch einiges an Arbeit auf uns wartet“, sagt Lörting.

Solche Erkenntnisse seien für die Weltraumforschung, aber auch für die Materialwissenschaften von hoher Relevanz, denn viele Materialien haben eine ähnliche Struktur wie kristallines Eis. So seien Spin-Eis-Materialien magnetisch. „Wir können also auch einiges über Magnete und für die Entwicklung von neuen funktionellen Materialien lernen“, sagt Lörting.

Die Forschung an hitzebeständigem Eis führt aber auch zu ausgefalleneren Ideen. „Ich werde immer gefragt, ob wir denn nicht Schnee herstellen könnten, der bei Raumtemperatur stabil ist, um auch im Sommer Skifahren zu gehen“, schildert Thomas Lörting: „Solche geordneten Formen von Eis sind prinzipiell dafür geeignet. Es haben sich auch einige Leute schon Gedanken dazu gemacht. Ein Vorschlag war zum Beispiel, Spannungen von mehreren 10.000 Volt an Skipisten anzulegen, um die Eiskristalle zu ordnen. Da würde ich persönlich aber nicht gerne drauf fahren wollen.“

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