Open menu
x

Bequem up to date mit dem Newsletter von Extrajournal.Net!

Jetzt anmelden, regelmäßig die Liste der neuen Meldungen per E-Mail erhalten.

Weitere Informationen finden Sie auf unserer Newsletter-Seite sowie in unserer Datenschutzerklärung.

Business, Motor, Tech

„Wir laden Ihr Elektroauto in 15 Minuten auf“

FastCharge ©BMW

E-Autos. Das Ladesystem „FastCharge“ von Porsche, Siemens & Co soll der E-Mobilität zum Durchbruch verhelfen: Der Prototyp lädt (fast) so schnell wie Sie an der Tankstelle tanken.

In ihrer gemeinsamen Präsentation gaben sich BMW und die Projektpartner Allego, Phoenix-Contact, Porsche und Siemens jetzt mehr als selbstbewusst: Ihr Forschungsprojekt „FastCharge“ soll das Aufladen von E-Autos praktisch ebenso schnell und bequem machen wie das von Benzinern oder Dieselfahrzeugen. Das würde der Elektromobilität zum Durchbruch verhelfen – keine Frage.

Doch wie realistisch ist das? Ein gewichtiges Argument hat die Industrie-Allianz aufzubieten, nämlich betriebsfähige Prototypen des neuen Ladesystems.

Der Aufmarsch des neuen Systems

Im bayerischen-schwäbischen Jettingen-Scheppach wurde jetzt der Prototyp einer Ladestation mit einer Leistung von bis zu 450 kW eingeweiht. In diesem Projekt entstandene Elektro-Forschungsfahrzeuge demonstrieren an dieser Ultra-Schnellladestation Ladezeiten von weniger als 3 Minuten für die ersten 100 Kilometer Reichweite bzw. 15 Minuten für einen vollen Ladevorgang (10-80 % State of Charge (SOC)), so die Partner.

Ermöglicht wird die deutliche Steigerung des Ladetempos durch die massive Steigerung der Ladeleistung auf bis 450 kW – das ist das Drei- bis Neunfache der an bisherigen DC-Schnellladestationen maximal verfügbaren Leistung. Im Rahmen von „FastCharge“ soll nun allerdings noch untersucht werden, welche technischen Voraussetzungen an Fahrzeugen und Infrastruktur erfüllt werden müssen, um die extrem hohen Ladeleistungen einsetzen zu können. So kann das System schon heute mit Spannungen bis zu 920 Volt arbeiten, wie sie für künftige Elektrofahrzeuge erwartet werden.

Die neue Ladestation ist für Elektro-Modelle aller Marken mit der in Europa üblichen Typ-2-Variante des weltweit verbreiteten Combined Charging System (CCS) geeignet und kann ab sofort kostenlos genutzt werden. Herkömmliche E-Autos werden vom hohen Tempo allerdings – soviel sei gleich verraten – nur wenig spüren, dafür sind auch neue Onboard-Systeme erforderlich.

Mit einem Blick auf Fahrzeugflotten

Das im Juli 2016 gestartete Forschungsprojekt FastCharge wird von einem Industriekonsortium unter der Führung der BMW Group betrieben, dem die Allego GmbH, die Phoenix Contact E-Mobility GmbH sowie Porsche (also der Volkswagen-Konzern) und die Siemens AG angehören. Mit 7,8 Millionen Euro Förderung ist auch das deutsche Verkehrsministerium an Bord.

Bei FastCharge sind sowohl die Hochleistungselektronik für die Ladeanschlüsse als auch die Kommunikationsschnittstelle zu den Elektrofahrzeugen integriert. Ein intelligenter Lade-Controller sorgt für eine automatische Anpassung der abzugebenden Leistung, so dass verschiedene Elektroautos mit einer Infrastruktur geladen werden können.

Die flexible, modulare Architektur des Systems soll es außerdem ermöglichen, mehrere Fahrzeuge simultan zu laden und verschiedene Einsatzgebiete zu bedienen, etwa Flottenladelösungen oder wie im Fall des Prototypen das Laden an Autobahnen.

Für den Anschluss an das öffentliche Stromnetz in Jettingen-Scheppach wurde im Projekt ein Ladecontainer mit zwei Ladeanschlüssen realisiert: Ein Anschluss hat eine bisher einmalige Ladeleistung von max. 450 kW, der Zweite gibt bis zu 175 kW ab. Weitere technische Details:

  • Je nach Fahrzeugmodell kann die neue Ultra-Schnellladestation sowohl für Fahrzeuge mit 400-V, als auch 800-V-Batteriesystemen eingesetzt werden.
  • Die Ladesäulen-Prototypen von Allego nutzen die Ladestecker des in der Praxis gängigen Combined Charging System (CCS) in der Typ-2-Variante für Europa.
  • Um die beim schnellen Aufladen mit hoher Leistung auftretenden Anforderungen zu erfüllen, kommen gekühlte HPC-Ladekabel (High Power Charging) von Phoenix Contact zum Einsatz. Als Kühlflüssigkeit wird ein Wasser-Glykol-Gemisch verwendet; bei Bedarf kann nachgefüllt werden, was die Wartung vereinfachen soll.

Und was bringt das in der Praxis?

Aber zurück zu den versprochenen 15 Minuten. Die Zeitersparnis, die durch höhere Ladeleistungen erzielt werden kann, wollen die Projektpartner am Beispiel des BMW i3 Forschungsfahrzeugs darstellen. Der i3 ist bekanntlich ein flotter E-Stadtflitzer von BMW, der trotz recht hohem Preis inzwischen in den Ballungsräumen häufig zu sehen ist.

Auf der Autobahn sieht man den kleinen Stromer dagegen eher selten – und das hat seinen guten Grund: In der Praxis kommen bisherige Modelle nur auf 200 bis 260 Kilometer Reichweite. Das ist mehr als genug für die tägliche Fahrt ins Büro oder zum Einkaufen, aber eher nichts für den Wochenendausflug mit Kind und Kegel zu Oma und Opa nach Hamburg – wenn man in München startet.

Doch jetzt könnte die Sache bald anders aussehen. Denn für einen Ladevorgang von 10-80 % SOC der Hochvoltbatterie mit 57 kWh Netto-Kapazität werden nur noch 15 Minuten benötigt, so die FastCharge-Partner.

Dies könne fahrzeugseitig durch den speziell entwickelten Hochvoltspeicher in Kombination mit einer intelligenten Ladestrategie erreicht werden. Dazu erforderlich seien u.a. die genaue Vorkonditionierung der Speichertemperatur bei Ladestart, Temperaturmanagement während des Ladevorgangs und ein möglichst genau abgestimmtes Profil der Ladeleistung über Zeit.

Der Ladevorgang erfolgt über ein fahrzeugseitiges Mehrspannungsnetz mit Hochvolt-DC/DC-Wandler (HV-DC/DC), indem die geforderte 800-V-Eingangsspannung der Ladesäule auf die niedrigere 400-V-Systemspannung des BMW i3 Forschungsfahrzeugs transformiert wird. Durch den HV-DC/DC könne ein FastCharge-ausgerüstetes Fahrzeug wie dieses auch rückwärtskompatibel an allen alten und zukünftigen Ladestationen Strom tanken.

Entscheidend für einen zuverlässigen Betrieb sei jedenfalls die gesicherte Kommunikation zwischen Fahrzeug und Ladesäule. Deswegen werden Standardisierungsthemen zur Interoperabilität erforscht und in Normierungsgremien gebracht, heißt es.

Klingt ein bisschen so, als ob da noch einige Arbeit wartet. Doch angesichts einer Flut neuer E-Fahrzeuge, mit denen große Player wie VW auf die Herausforderung durch Tesla antworten, dürfte es an Spielwiesen zum Ausprobieren nicht mangeln. Gleichzeitig bauen die großen Player im Energiemarkt die Ladenetze für E-Autos derzeit schnell aus – und Systeme wie FastCharge könnten verbunden mit stärkeren Akkus schon bald die Attraktivität der Stromer deutlich erhöhen.

Ein Versprechen für die (nahe) Zukunft

Der User soll von der Technik jedenfalls möglichst wenig merken, ihm oder ihr soll vor allem eines auffallen: Ein Zeitverbrauch ungefähr so wie mit dem Verbrenner an der Zapfsäule der Tankstelle. 15 Minuten sind da bereits durchaus vergleichbar, insbesondere wenn der Gang zur Kasse entfällt. Will man seinen Stromer nur kurz nachtanken – etwa weil man es eilig hat – dann verspricht FastCharge für 100 Kilometer Reichweite nur 3 Minuten.

 

Weitere Meldungen:

  1. Krieg der Studien bei E-Autos: Wachstum „nur leicht schwächer“
  2. Northvolt will deutsche Batterie-Gigafactory mit Noerr bauen
  3. Green Bonds von Volkswagen Leasing: Hogan Lovells hilft
  4. Steuervorteile und Fallen beim E-Auto: BMD-Webinar am 17.4.2023