Immobilien & Studium. Der Universitätslehrgang Immobilienwirtschaft & Liegenschaftsmanagement der TU Wien startet heuer erneut: Mit über drei Jahrzehnten Tradition gehört er zu den Weiterbildungs-Pionieren. Lehrgangsleiter Univ.-Prof. Bob Martens über den Wandel der Studieninhalte aus Wirtschaft, Recht und Technik und aktuelle Trends wie ESG.
Extrajournal.Net: Was war ursprünglich die Motivation für den Kurs, welche Rolle spielt er heute im Studienangebot der TU Academy for Continuing Education?
Bob Martens: Beim ersten Start in den späten 1980er Jahren stand im Fokus, dass es kein immobilienwirtschaftliches Studium dieser Art am Markt gab. Das hat sich inzwischen zwar auch international geändert, wir sehen uns aber durch unsere besondere Kombination aus Technik, Recht und Wirtschaft in einer attraktiven Rolle. Unsere Ausbildung basiert auf allen diesen Säulen, davon haben unsere Studierenden dann später entsprechende Vorteile in ihrer täglichen Berufsarbeit.
„Es geht nicht um technische Ausbildung, sondern das Wissen um das Wesentliche“
Was macht die technische Komponente des Studienangebotes aus?
Bob Martens: Die Technik ist bei einem Studienangebot der TU Wien natürlich ein wichtiges Merkmal, im konkreten Fall unter anderem in Form der Bautechnik, der Haustechnik usw. Dabei geht es im Rahmen des Kurses nicht um technische Ausbildung, sondern um das Wissen worum es in der Branche geht und wo die Pferdefüße sind. Die Beschäftigung mit der Technik ist zwar für manche Kursteilnehmer zunächst eine gewisse Schwierigkeit, es ist aber nicht unser Bestreben, damit unsere Kursteilnehmer zu dezimieren, ganz im Gegenteil: Wir helfen ihnen dabei, sich die Materie zu erarbeiten. Wir setzen ein Kohortensystem ein, bei dem eine Gruppe von bis zu 30 Personen eine bestimmte Anzahl Stunden gemeinsam absolviert und sich dabei auch gegenseitig hilft, wenn der oder die Studierende Probleme mit bestimmten Themen hat, sei es nun Technik, Wirtschaft oder Recht. Es gibt auch Gruppenprojekte, die wir aus verschiedenen Personen mit unterschiedlichen Spezialisierungen zusammensetzen. Manche arbeiten so gut zusammen, dass sie am Ende sogar ein eigenes Unternehmen gründen – das haben wir schon mehr als einmal erlebt.
Die Technik, mit der sich Immobilienprofis auseinandersetzen müssen, scheint immer umfangreicher zu werden – jedenfalls hat man diesen Eindruck, wenn man die Beschreibungen aktueller Bauprojekte betrachtet, allein beim Thema ESG/Nachhaltigkeit. Wirkt sich das auch auf den Technik-Anteil Ihres Kurses aus?
Bob Martens: ESG oder EU-Taxonomy sind aktuell zweifellos heiße Themen. Das ist zwar derzeit vor allem ein Thema für größere Unternehmen, es ist aber nur eine Frage der Zeit bis auch kleinere Unternehmen davon betroffen sind. Auch das decken wir in unseren Kursen ab.
„Manche Teilnehmer gründen gemeinsam ein Unternehmen“
Wer ist für das Studium geeignet, wer ist die Zielgruppe?
Bob Martens: Das Studienangebot gibt es in zwei Ausprägungen, mit entsprechend unterschiedlichen Zielgruppen. Variante eins ist der Universitätslehrgang. Der dauert vier Semester und endet mit der Zertifizierung, Eingangsvoraussetzung ist die Matura. Eine schon vorhandene Branchentätigkeit ist vorteilhaft, aber kein Muss. Unser Hauptziel ist die Vermittlung des wesentlichen Rüstzeugs für eine Tätigkeit im Immobilienbereich – das deckt auch betriebswirtschaftliches und rechtliches Kompaktwissen ab. Spezielle Kurse wie etwa Englisch für Immobilienberufe gehören nicht zum Programm, das wäre bereits zu spezialisiert.
Variante zwei ist der Postgraduate-Kurs, bei dem es vor allem um die Immobilienbewertung geht. Voraussetzung ist ein Bachelor aus Wirtschaft, Recht bzw. Technik, sowie zwei Jahre Berufserfahrung. Dazu ist zu sagen: Wir sind keine Erbsenzähler, es müssen nicht exakt 24 Monate Praxis sein, sondern es geht um die Qualität. Wenn man bloß im Sommer bei einem Immobilienunternehmen gejobbt hat, wird das nicht reichen. Ziel ist ja, eine Gruppe von Menschen zusammenzuführen, die sich auf ihrem Berufsweg schon weiter entwickelt haben. Davon profitieren dann alle Teilnehmenden, aber dafür muss der Level adäquat sein. Es findet sozusagen eine gegenseitige Kalibrierung statt. Die häufigsten Teilnehmer sind übrigens Wirtschafter, gefolgt von Juristen und dann Technikern – letztere z.B. Architekten, Bauingenieure oder Raumplaner. So hat jeder auf verschiedenen Gebieten seine Stärken, die er oder sie in die Gruppe einbringt.
„Stehen der Arbeitgeber und der Lebenspartner dahinter?“
Wie läuft der Einstieg ab?
Bob Martens: Vor der Teilnahme gibt es ein Beratungsgespräch, bei dem ganz am Anfang Motivation und Erwartungen geklärt werden können. Österreich hat eine bunte und vielseitige Studienlandschaft, zu deren herausragenden Eigenschaften es gehört, dass man beinahe unbegrenzt viele Studien gleichzeitig studieren oder zumindest beginnen kann. Da man dann freilich nicht alle auch abschließen kann, wirkt sich das natürlich negativ auf die Drop-out-Statistiken aus. Wir versuchen bei der Entscheidung zu helfen, also dabei festzustellen, ob der potenzielle Studierende und der Kurs zusammenpassen.
Es ist eines der Merkmale, dass berufsbegleitendes Studieren bei uns möglich und auch häufig ist. Das ist auch einer der Aspekte, den wir im Beratungsgespräch abklären möchten: Wissen der Arbeitgeber – oder auch der Lebenspartner – Bescheid, stehen sie dahinter? Häufig unterstützen die Arbeitgeber übrigens die Fortbildungspläne ihrer Mitarbeiterin oder ihres Mitarbeiters, erkennen beispielsweise die Lernstunden als Arbeitszeit an, übernehmen die Kosten und dergleichen. Es ist ja auch im Interesse eines Unternehmens, hochqualifizierte Mitarbeitende zu haben. Der Zertifikatskurs startet dann einmal im Jahr, wobei die Durchgangsgruppe aus maximal 30 Personen bestehen kann. Diese Anzahl schöpfen wir heuer vermutlich aus. Das Postgraduate- Studium startet alle acht Monate.
Wie hoch sind die Kosten, wie wird die Leistung im Kurs überprüft?
Bob Martens: Wir liegen mit Kursgebühren von 15.900 Euro beim Zertifikatskurs und 20.500 Euro beim Postgraduate-Studium international im Mittelfeld. Der Payoff-Anspruch wird beruflich sicherlich rasch eingelöst. In den großen Disziplinen Hausverwaltung, Maklerbranche, Bauträger herrscht nicht nur großes Interesse an unserer Ausbildung, es findet auch ein gewisser Austausch statt: Manche Teilnehmer wechseln danach die Sparte. Man kann über uns beispielsweise den gewerberechtlichen Befähigungsnachweis für die jeweils andere Sparte aktivieren. Die Leistungsüberprüfungen finden selbstverständlich statt, aber als feingliedriges System, nicht in Form von konzentrierten Prüfungswochen. Eine Besonderheit ist, dass unsere Masterarbeiten öffentlich komplett zum Download zugänglich sind. Manche werden mehrere hundertmal downgeloadet – sie sind also sozusagen selbst eine Visitenkarte für die Branche.
Im Interview
Univ.-Prof. Bob Martens, FRICS ist Lehrgangsleiter des Universitätslehrgangs Immobilienwirtschaft & Liegenschaftsmanagement an der Academy for Continuing Education der TU Wien.